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Zu Besuch bei RUF Automobile – Porsche weiter gedacht

24.06.2023 Von Richard Lindhorst
Zu Besuch bei RUF Automobile – Porsche weiter gedacht

Es gibt nicht viele Firmen, die den Weg vom Tuner bzw. Fahrzeugveredler zum Fahrzeughersteller geschafft haben. Noch weniger davon wurden von Herstellern mit Rohkarossen zur Produktion eigener Fahrzeuge beliefert. In diesem erlesenen Kreis ist RUF Automobile vermutlich der bekannteste Player. Wir durften kürzlich hinter die Kulissen der Firmenzentrale in Pfaffenhausen blicken. Dort konnten wir bestaunen, wie der Familienbetrieb es vom renommierten Porsche-Tuner zum Hersteller exklusiver Supersportwagen mit eigenem Kohlefaser-Monocoque gebracht hat.

Die Mindelheimer Straße 21 in Pfaffenhausen ist ein Mekka für Porsche-Enthusiasten

Das beschauliche 2.600-Seelen-Örtchen Pfaffenhausen liegt etwas über eine Autostunde westlich von München. An einem Kreisverkehr am Ortseingang liegt die Mindelheimer Straße 21. Diese Anschrift ist weltberühmt, sozusagen ein Pilgerort für Porsche-Fans. Denn hier, in einem auffällig bodenständigen Gebäude, liegt der Firmensitz von RUF Automobile. Schräg gegenüber – ebenfalls zur Firma RUF Automobile gehörend – steht das Porsche Service Center Pfaffenhausen.

Alois Ruf jr. – Inhaber und Geschäftsführer seit 1974 – hat den elterlichen Betrieb von einer Kfz-Werkstatt mit Tankstelle zu einem weltbekannten Automobilhersteller geformt. Dass aus RUF Automobile mehr als ein Tuner wurde, lag dabei zu einem gewissen Teil auch an Porsche. Die Kraftkuren für Porsche Sportwagen aus dem Hause RUF waren zu stark geworden. Die Zuffenhausener wollten und konnten keine Haftungsansprüche übernehmen, sodass Alois Ruf die Anerkennung als Hersteller forcierte. Seit 1981 ist Ruf vom deutschen Kraftfahrtbundesamt als Automobilhersteller gelistet.

Hinter der Eingangstür wartet eine Sitzecke, ein runder Tresen und geschäftiges Treiben. Die Szenerie ist aufgeräumt, fast schon schlicht. Wenn da nicht die Dekoration wäre. Im Eingang der Firma RUF Automobile steht ein wunderschöner, dunkelgrüner RUF SCR, daneben ein ehrliches Porsche 993 Cabrio, das stolz Spuren aus einem bewegten Leben trägt. Auch ein RUF Turbo 3.3 Motor steht wie selbstverständlich auf einem Motorständer im Entrée. In den kleinen Wandregalen stellt RUF detailreiche Modellautos, historische Bilder und Memorabilia aus. Der Chef ist begeisterter Sammler, und das sieht man. Auch der Sinn für Details ist unverkennbar – Kaffeetassen, Zuckertütchen… alles RUF-gebrandet.

Der Firmensitz von RUF Automobile ist kein Palast, sondern eine gewachsene Werkstatt

Eines merkt man sofort: Das Produkt steht im Fokus, über allem. Und dieser Eindruck setzt sich in der Werkstatt fort. Dorthin nimmt uns Entwicklungsingenieur Rafael Riethmüller direkt mit. Vorbei an den Büros der Entwicklungsabteilung führt der Weg in die Fertigungshalle. Alles hat seinen Platz, die Stimmung ist ruhig und konzentriert. Hier arbeiten Meister ihres Fachs an absoluten Traumkarossen.

Die ersten Fahrzeuge aus der Mindelheimer Straße waren der RUF Turbo 3.3, der RUF SCR (Sport Carrera RUF) und später auch der CTR (Gruppe C Turbo RUF), besser bekannt als „Yellowbird“. Mit diesem Auto wurde RUF über Nacht weltberühmt. Die amerikanische Presse testete 1987 auf dem VW-Versuchsgelände in Ehra-Lessien die aktuellste Riege Supersportwagen. Der RUF CTR war das einzig gelb lackierte Auto und ließ die gesamte Konkurrenz – unter anderem Porsche 959 und Ferrari 288 GTO – mit 339 km/h hinter sich. Somit war der RUF CTR das schnellste Serienfahrzeug auf der Welt. Kurzerhand gaben ihm die US-Journalisten den Spitznamen Yellowbird.

„Neben der Fertigung neuer RUF CTR Anniversary und SCR führen wir hier auch Umbauten und Restaurationen für unsere Kunden durch“, erklärt uns Riethmüller. Wir schlendern an einem brandneuen RUF SCR vorbei, der gerade sein Interieur erhält. Auf einer Bühne steht ein Porsche 993, der komplett auf RUF CTR umgebaut werden soll. Ein paar Meter weiter steht ein RUF CTR Anniversary, dessen Sitzbezüge und Türtafeln unsere Aufmerksamkeit an sich ziehen. „Das ist klassischer Dirndl-Stoff“, bedeutet uns Rafael. „Farbgestaltung und Individualisierung im Innenraum ist seit Aufkommen der Porsche 911 Backdates deutlich anspruchsvoller geworden. Früher stand Technik und Power noch mehr im Fokus.“

Das Herzstück der neuen RUF-Modelle ist ein Kohlefaser-Monocoque

Allerdings ist die Technik bei RUF schlicht beeindruckend. Denn was hier ähnlich aussieht wie ein Porsche 964 hat mit dem Original nichts mehr zu tun. „Die Außenhaut ist komplett aus Carbon. Die Dachkonstruktion wiegt inklusive A- und C-Säule 13 Kilogramm“, erklärt mir CFK-Spezialist Simon Laure. Ich kann es allein ohne Problem anheben. Darunter steckt kein Porsche-Fahrgestell mehr, wie bei den früheren RUF-Modellen. Stattdessen bildet ein Carbon-Monocoque die Basis von RUF CTR Anniversary und SCR. Es war die logische Weiterentwicklung des Gitterrohrrahmens aus dem RUF CTR 3. Darauf baut eine integrierte Sicherheitszelle aus Stahlrohren. Diese wird später von innen nicht sichtbar sein. Vorn und hinten werden jeweils Hilfsrahmen verschraubt.

Ein solches Fahrgestell zur Serienreife zu entwickeln, braucht viel Zeit. Nicht jedoch bei RUF Automobile. Nur drei Jahre dauerte die Entwicklung. „Das Monocoque ermöglicht uns sehr viel Flexibilität für die Zukunft. Es kann sowohl für Heck- als auch Mittelmotor-Layouts eingesetzt werden. Außerdem wäre die Fahrwerkskonfiguration mit Push-Rod-Dämpfern, längs zur Fahrtrichtung, mit regulären Porsche-Chassis gar nicht möglich gewesen“, fasst Rafael Riethmüller die Gedanken hinter dem Monocoque zusammen.

Diese spezielle Dämpferkonfiguration bleibt sonst nur Rennwagen oder den exklusivsten Supersportwagen, wie dem Porsche Carrera GT oder 918 Spyder vorbehalten. In Kombination mit dem sehr steifen Chassis minimiert es Wankbewegungen des Autos. Das Fahrverhalten ist daher auch nicht mit dem eines luftgekühlten Porsche vergleichbar. Vielmehr handelt es sich hier um allerfeinste, top-moderne Technik, die in eine klassisch anmutende Hülle verpackt wurde.

Die Motoren baut RUF Automobile selbst – mit Formel-1-Technik und über 700 PS

Am anderen Ende der Halle sehen wir den RUF CTR Anniversary Prototyp. Dieses Geschoss präsentierte RUF 2017 zum 30-jährigen Jubiläum des Yellowbirds. Er steht auf der Waage, direkt neben der Motoren-Endmontage. RUF baut hier den eigenen, wassergekühlten 3,6 Liter Sechszylinder Boxermotor. In seinen Grundfesten geht er auf den Entwurf Hans Mezgers zurück. RUF optimierte das Design im Hinblick auf Steifigkeit, Kühlung und Gewicht. Der Vierventil-Motor glänzt mit Rennsport-Technik. Abgasanlage aus Inconel, wie in der Formel 1, dazu Titanpleuel und Schmiedekolben. Das sind die Zutaten, um über 700 PS aus den CTR-Triebwerken herauszukitzeln.

Als Automobilhersteller ist RUF für die komplette Homologation der Fahrzeuge selbst verantwortlich. Abgas- und Geräuschmessungen sind genauso wie Crashtests ein absolutes Muss für die Zulassung. Besonders die Emissionen sind für den Kleinserienhersteller dabei eine große Herausforderung. Schon jetzt sind Abgas- und Lautstärkegrenzwerte nur schwer zu halten. Allerdings sei das Thema Abgas durch spezielle Katalysatorbeschichtungen noch handlebar. Rafael Riethmüller berichtet hingegen von einem überraschenden Stolperstein: „Problematisch ist vor allem das Reifen-Abroll-Geräusch. Dessen Grenzwerte sind für uns unter einer bestimmten Außentemperatur nur sehr schwer einzuhalten“.

RUF Automobile Motor auf dem Motorständer
In der Motorenabteilung von RUF kommen nur die feinsten Werkstoffe zum Einsatz.

Trotz aller Innovation steht RUF für ein analoges Fahrerlebnis

Die Materialauswahl und die Fahrwerksauslegung klingen, als würden hier Rennautos für die Zeitenjagd am Nürburgring entstehen. Doch darauf liegt gar nicht der Fokus, erklärt uns Riethmüller. „In einem RUF steht emotionales Fahren im Vordergrund. Deshalb wollen wir ein möglichst analoges Fahrgefühl bieten. Dass unsere Fahrzeuge sich auch auf der Rennstrecke gut machen, ist eher ein Nebenprodukt“.

Und das tun sie verdammt gut, wie eine Anekdote aus den 90ern zeigt. Die Gebrüder David und Steve Beddor orderten für das Pike’s Peak Rennen 1997 zwei RUF CTR2 Sport. Im Gegensatz zur Konkurrenz waren diese 702 PS starken RUF auf 993-Basis nicht nur FIA-homologiert. Beide Fahrzeuge waren sogar straßenzugelassen und fuhren auf eigener Achse zum Race to the Clouds! Dort erreichten sie den zweiten und vierten Platz im Gesamtklassement. Ein besseres Statement für die Qualität der eigenen Fahrzeuge konnte man kaum setzen.

Die sonst bei RUF geltende Maxime des Understatements zeigt sich klar beim Blick in den Innenraum. Wo heutzutage Touchscreens und exzentrisch gestaltete Wählhebel für Automatikgetriebe dominieren, geht RUF konsequent andere Wege. Es gibt zum Beispiel kein Radio. Auf Musik müssen Kunden aber trotzdem nicht verzichten. Eine Bluetooth-Schnittstelle ermöglicht Musikstreaming vom Smartphone. Außerdem wird in den neuen CTR und SCR von Hand geschaltet. ABS und Traktionskontrolle sind die einzigen elektronischen Helferlein. Weitere Assistenzsysteme gibt es nicht.

Bei RUF Automobile geschieht nahezu alles in-house

Im Familienunternehmen RUF Automobile sind insgesamt gut 60 Mitarbeiter beschäftigt. Diese kleine Mannschaft produziert pro Jahr bis zu 30 Autos und realisiert darüber hinaus noch Restaurationen und Service. Besonders beeindruckend: RUF führt nahezu alle Arbeiten in-house durch. Denn neben Fertigung, Entwicklung und Motorenbau (inklusive Prüfstand) hat RUF auch eine eigene Sattlerei. Die Lollipop getauften Sitze des aktuellen RUF CTR Anniversary/SCR sind zum Beispiel eine Eigenentwicklung.

Wenn man sich die Fertigung bei RUF persönlich anschauen darf, erkennt man sofort, auf welchem Level in Pfaffenhausen gearbeitet wird. Sei es die Innenraumqualität oder das technische Niveau – bei RUF ist alles high-end.

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Lackiert wird bei RUF Automobile ebenfalls in-house. Und die Qualität der Arbeit ist schlicht beeindruckend. In der Aufbereitungshalle steht ein RUF SCR in Martini-Lackierung. Die feinen Linien in drei Farbtönen sind nicht etwa einlackierte Sticker. Stattdessen wird hier jede einzelne Kontur von Hand abgeklebt und anschließend lackiert. Sie verlaufen über mehrere Karosserieteile hinweg und haben so scharfe, akkurate Kanten, als wären sie gedruckt. So eine Präzision ist uns selten untergekommen. Kein Wunder, dass durchschnittlich 200 Arbeitsstunden nötig sind, bis Karosserie und Lack neuer RUF-Fahrzeuge perfekt sind. Die Farbe kann übrigens vollkommen individuell nach Wunsch gewählt werden. Hier gibt es keine Grenzen.

Wir durften sogar einen Blick ins private Museum der Familie Ruf werfen

Gegen Ende eines sehr aufregenden und beeindruckenden Tages in Pfaffenhausen öffnet man uns die heiligen Hallen der Familie Ruf. Das eigene Museum beherbergt historische Schätze, die ihresgleichen suchen. Hier steht unter Anderem Alois Rufs Porsche 901 mit dem Spitznamen Quickblau. Dieses Vorserienmodell ist einer der größten Schätze der Familie um Alois und Estonia Ruf mit den Kindern Marcel und Aloisa. Übrigens arbeiten alle im Familienbetrieb. Mutter Estonia als Geschäftsführerin, Sohn Marcel als Ingenieur und Aloisa als Mechanikerin. Ganz getreu Alois Rufs Mantra „My life is my work. My work is my life with family“.

Auch der beeindruckende RUF CTR3 Clubsport ist hier ausgestellt. In seiner Silhouette erinnert er in natura an Carrera GT und 911 GT1. Das Spitzenmodell der Marke RUF ist kompromisslos auf Performance getrimmt. Aus seinem 3,8-Liter-Biturbo-Boxer schöpft er 777 PS und läuft bis zu 380 km/h Spitze. Und auch der Motorraum gleicht einem Kunstwerk. Eine perfekte Sinfonie aus Kohlefaser, Edelmetallen und mit klinischer Präzision gefertigter Frästeile begrüßt uns aus der geöffneten Heckverkleidung.

Tatsächlich ist hier auch der originale Yellowbird von 1987 ausgestellt. Mit diesem RUF CTR fuhr einst Stefan Roser die vermutlich legendärste Nordschleifenrunde aller Zeiten. Nahezu die komplette Strecke fuhr der RUF-Testfahrer im Drift. Das daraus geschnittene Promotionvideo ist mittlerweile unzählige Millionen mal auf Youtube angesehen worden. In genau diesem Auto Platz nehmen zu dürfen, war etwas für die persönliche bucket-list. Gerade für uns aus der Generation Gran Turismo ist dieses Auto einfach eine Legende.

RUF Automobile RUF CTR Yellowbird
Ein Traum geht in Erfüllung. Ein Mal den echten Yellowbird sehen. Da muss ein Erinnerungsfoto sein!

Nicht nur der Betrieb ist wie eine Familie, sondern die ganze Community!

Es ist gut dokumentiert, dass das Betriebsklima bei RUF Automobile sehr familiär ist. Estonia und Alois sprechen selbst auch von Familie, wenn es um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. Das gilt offensichtlich auch für die Kundschaft, die Community rund um RUF. „Wer einen RUF hat, kommt damit auf die Einladungsliste für die vermutlich exklusivste Porsche Rally überhaupt“, erzählt uns Rafael. Jedes Jahr lädt die Familie zu einer Ausfahrt mit ihren Kunden. Gute Kunden werden auch schon mal im Elternhaus von Alois Ruf Jr. neben der Tankstelle einquartiert, wenn sie ihre Autos abholen oder zum Service bringen.

„Vermutlich ist Pfaffenhausen weltweit der Ort mit der höchsten Porsche-pro-Kopf-Dichte“

Rafael Riethmüller, RUF Automobile

Scheinbar zieht diese familiäre Wärme Gleichgesinnte an. Zufällig läuft mir im Eingangsbereich Christian aus England über den Weg. Wir kommen ins Gespräch. Er holt heute seinen RUF RCT Evo von der Wartung ab. Zurück nach Hause nach England geht es für ihn durch den Schwarzwald und quer durch Frankreich. Wir plaudern über unsere Lieblingspässe und über Routenempfehlungen. Man spürt, dass ein RUF Menschen miteinander verbindet. Hier leben Mitarbeiter, Familienmitglieder, aber auch Kunden ihre Passion aus. Pfaffenhausen scheint so etwas wie Utopia für Porsche-Enthusiasten zu sein…

Es ist schon ein großes Privileg, bei RUF Automobile durch die heiligen Hallen geführt zu werden. Man merkt, dass die ganze Firma in jeder Sekunde Porsche und RUF denkt und atmet. Hier werden Träume erschaffen und bewahrt. Die primäre Währung scheint im Hause Ruf die Emotion zu sein. Danke für den Einblick, wir kommen gern wieder!

Richard Lindhorst, Elferspot

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