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Wertvoller als der 911 – Porsche 356 auf der Überholspur

24.01.2024 Von Richard Lindhorst
Wertvoller als der 911 – Porsche 356 auf der Überholspur

Je älter ein Auto, desto seltener sieht man es auf der Straße. Logisch. Schließlich werden gereifte Klassiker nur ausgesprochen selten als Transportmittel eingesetzt. Zu groß ist ihre die Bedeutung im historischen Kontext, zu hoch der materielle und oft ideelle Wert. Autos wie der Porsche 356 werden daher gern als Kunstwerke auf Rädern betrachtet. Schließlich ist die Formensprache dieser Baureihe allein schon aufgrund gesetzlicher Zwänge unwiederbringlich. Mit etwas zeitlichem Versatz zum Porsche 911 mauserte er sich im letzten Jahrzehnt zu einem der attraktivsten Klassiker am Markt. Und überholte seine schnelleren Nachfolger dabei sogar…

Ein neues Sportwagenrezept, verpackt in zeitlose Eleganz – Der Porsche 356

Die Silhouette eines Porsche 356 ist mehr als nur eine Form. Sie ist eine zeitlose Erklärung der Eleganz. Selbst über 75 Jahre seit seiner Einführung im Jahr 1948 zieht der 356 noch immer die Blicke auf sich. Er eroberte die Herzen von Automobil-Enthusiasten weltweit im Sturm. Seine sanften Kurven, die klaren Linien und die perfekte Balance zwischen Stil und Leistung machen den 356 zu einem ästhetischen Meisterwerk. Dazu das wunderschöne in Wagenfarbe lackierte Armaturenbrett – ein Anblick zum Genießen!

Durch seine kompakten Maße verstand sich der Porsche 356 als Gegenentwurf zu immer größer werdenden Fahrzeugen, gerade amerikanischer Herkunft. Er glänzte mit Leichtfüßigkeit und agilem Handling, statt auf schiere Kraft zu setzen. Trotz überschaubarer Motorleistung bot der Porsche 356 durch sein geringes Gewicht auch Sportwagen mit großvolumigen Acht- und Zwölfzylindermotoren Paroli.

Trotz überschaubarer Motorleistung bot der Porsche 356 durch sein geringes Gewicht auch Sportwagen mit großvolumigen Acht- und Zwölfzylindermotoren Paroli.

In Zuffenhausen gefiel man sich in dieser Rolle des Underdogs, oder gar „Giant-Killers“. Schließlich hatten die zuverlässigen, kleinen und leichten Sportwagen unterhalb der Top-Klassen wenig zu verlieren. Erfolge gegen die etablierten Marken wie Maserati, Alfa Romeo, Mercedes und Ferrari schmeckten umso süßer, je mehr sie den Stuttgarter Sportwagen nominal überlegen waren. So wurde Porsches erster Wurf direkt zum Fundament des Rufs der – typisch schwäbisch – zuverlässigen und unaufdringlichen Sportwagen.

Porsche 356 B Produktion
Sinnbildlich für Porsches Bodenständigkeit – Die Produktion des 356 erfolgte noch nicht in einer hochmodernen Fabrik. © Porsche AG

Im Windschatten des 911 „reifte“ der Porsche 356 zum gesuchten Klassiker

Diese Underdog-Rolle hatte der Porsche 356 nicht nur auf den Straßen und Rennstrecken der Welt inne, sondern sogar markenintern. Denn das meiste Interesse an Zuffenhausener Sportwagen galt und gilt dem Porsche 911. Dabei ist der 356 Porsches erstes in Serie gebautes Fahrzeug überhaupt und damit von mindestens gleicher historischer Signifikanz. Nicht zuletzt bildete er mit 76.302 gebauten Fahrzeugen das wirtschaftliche Fundament der Marke.

Elferfans waren allerdings nicht immer auch Fans des Porsche 356. Manchen war er durch seine anfangs noch recht enge Verwandtschaft zum Volkswagen Käfer technisch zu gewöhnlich. Schließlich griff Porsche bei den ersten Modellen noch auf einige Komponenten des VW zurück. Doch ihn darauf zu reduzieren, tat dem 356 schon immer Unrecht. Das Fahrgefühl und die Eleganz des Designs hatten herzlich wenig mit dem Käfer gemein.

Der wunderschöne Porsche 356 pre-A Speedster verkörpert die Eleganz durch Simplizität des ersten Serien-Porsche wie kein anderes Modell. ©Traditional Motors Company

Oft wurde über bemerkenswerte Preisanstiege luftgekühlter Porsche 911, also F-Modell, G-Modell, 964 und 993 berichtet. In der öffentlichen Wahrnehmung überstrahlten diese Entwicklungen aber lange Zeit den bemerkenswerten Weg des Porsche 356. Denn im Windschatten seines Nachfolgers mauserte er sich zu einem begehrten Asset. Mittlerweile ist er sogar durchschnittlich teurer als viele luftgekühlte Elfer-Modelle.

Die allermeisten Porsche 356 kosten mittlerweile über 100.000 Euro

Ja, noch gibt es vereinzelt Porsche 356 für fünfstellige Preise. In den allermeisten Fällen brauchen diese Fahrzeuge allerdings Arbeit – mal mehr, mal weniger. Wirklich gute Autos für unter 100.000 Euro sind nicht mehr die Regel. Zugegebenermaßen ist der Vergleich nicht 100-prozentig fair, aber die Auswahl ordentlicher 911 G-Modelle und sogar 993 oder Urtyp-Elfer (F-Modell) unter 100.000 Euro ist deutlich größer als beim 356.

Das zeigt relativ plastisch, in welchen Sphären sich der 356 im Jahre 2024 bewegt. Selbst die günstigeren Modelle vom Typ 356 C und SC lagen 2023 bei durchschnittlich über 115.000 Euro Angebotspreis. Besonders frühe Modelle vom Typ Porsche 356 A oder gar pre-A liegen sogar um den Faktor zwei bis drei darüber.

Frühe Porsche 356-Modelle – wie dieser 356 A – erzielen zwei- bis dreimal so hohe Preise, wie die letzten 356 C. © Lammertink

Grundsätzlich gilt die Faustregel: Je älter, desto teurer. Der Sammlerwert der alten Fahrzeuge sticht die fahrerischen Qualitäten der jüngeren Modelle deutlich aus. Dabei sind gerade die letzten Porsche 356 C nicht nur betörend schön, sondern eben auch fahrerisch eine echte Wucht. Für US-Comedian und Porsche-Sammler Jerry Seinfeld zählt er sogar zu einem der Fahrzeuge, die man unbedingt gefahren haben sollte, um den Mythos der Marke Porsche zu verstehen.

Als Bestandteil der Popkultur ist der Porsche 356 ein Symbol für Erfolg und den sonnigen Lifestyle Kaliforniens

Nur wenige Autos aus dem 20. Jahrhundert werden so stark mit einem bestimmten Lebensgefühl verbunden, wie der Porsche 356. Es ist ein bisschen wie mit dem Pagode genannten Mercedes SL der 1960er Jahre. Seine offenen Modelle assoziieren viele mit der Sonne Kaliforniens und dem einhergehenden Lebensstil der US-amerikanischen Westküste.

Filme wie Top Gun, in denen Kelly McGillis als Dozentin Charlie Blackwood im Porsche 356 Speedster fährt, hinterlassen Bilder, die man nicht so schnell aus dem Kopf bekommt. Sie erzeugen Sehnsuchtsmomente, denen wir nacheifern wollen. Im Porsche 356 Speedster den Pacific Coast Highway entlangfahren, klingt nach dem Stoff, aus dem Träume sind.

Nicht zuletzt hat sich in den USA mittlerweile auch eine rege Modified- und Outlaw-Szene um den 356 gebildet. Wilde Umbauten mit Zusatzscheinwerfern, viel Patina, Lochblech oder orientiert am Rennsport – alles ist erlaubt. Wer dem Vierzylinder-Boxer entsprechend Beine macht, bekommt eine tonale Untermalung, die mit ihrem rotzigen Charakter einfach perfekt passt.

Porsches erstes Serienfahrzeug ist wie ein guter Wein

Während vermeintliche Ikonen vergangener Tage mittlerweile nurmehr Nischenthemen sind, überdauerte Porsches Erstlingswerk die Jahrzehnte voller Stolz. Zuffenhausens wirtschaftlicher Sportwagen überzeugt auch über 75 Jahre nach seiner Konzeption. Seine Geschichte ist nicht nur die eines x-beliebigen Autos, sondern eine Ode an die Leidenschaft für Design, höchste Ingenieurskunst und die bis heute vorherrschenden Leitlinien der Sportwagenschmiede Porsche.

Der Porsche 356 ist mehr als nur ein Auto. Viele sehen in ihm so etwas wie eine Liebeserklärung an die Vergangenheit. Seine Ästhetik und historische Bedeutung haben ihn zu einem zeitlosen Klassiker gemacht. An seinen freundlichen, weichen Linien kann selbst ein bekennender Autogegner nichts Verwerfliches sehen. Vielmehr sehen selbst sie im Porsche 356 ein schönes, altes Auto.

Altert wie ein guter Wein – der Porsche 356. © Porsche AG

Wie die meisten Porsche Designs altert er daher auch in Würde. Er hat keine Linie zu viel, ist nicht überzeichnet. Deshalb ist er zeitlos elegant und wird mit den Jahren immer schöner, geschmackvoller. Eben wie ein guter Wein. Daher sollten wir auch nicht zu viel über Vergleiche mit anderen Modellen sprechen, sondern ihn für das wertschätzen, was er für sich genommen darstellt: Porsches erstes Serienfahrzeug, eine absolute Designikone, ein nach wie vor durch und durch sympathischer Klassiker.

© Titelbild: Porsche AG

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