Porsches Zeit der Neuausrichtung in den 80er und 90er Jahren trug mitunter wilde Blüten. Während einerseits die Vorbereitungen zur Präsentation des neuen Porsche Boxster Concepts für die Detroit Motor Show 1993 liefen, wurde gleichzeitig der Porsche 968 Turbo S angeboten. Ein Auto, für das sich nicht mal ein moderner Vergleich konstruieren lässt. So weit weg vom Porsche-Ideal des Sechszylinder-Boxermotors im Heck war er. Sein Rezept: Reihenvierzylinder-Turbomotor vorn, Leichtbau wo möglich und Fahrleistungen auf Augenhöhe mit dem Porsche 964 Turbo 3.6. Vermutlich zu viel für die Kundschaft. Denn trotz reichlich Argumenten auf seiner Seite floppte er kommerziell wie kein Porsche vor oder nach ihm.
Angefangen hatte alles mit dem Porsche 968 Turbo RS. Dieses reine Rennstreckengerät wurde für die im ADAC GT-Cup eingeschriebene Kundschaft entwickelt. Das bedeutete, dass es ein Serienfahrzeug geben musste, auf dem das Rennauto basiert. Solche Fahrzeuge nennt man Homologationsmodelle. Zumeist handelte es sich dabei um sehr sportlich ausgelegte Autos, die kaum noch Alltagsnutzen bieten und mit erheblichem Aufpreis zu den Basisvarianten verkauft wurden. Neben dem Porsche 968 Turbo RS entwickelte Porsche daher parallel den Turbo S für eben diese Homologation.
Äußerlich unterschied sich das neue Spitzenmodell deutlich von seinen zivilen Geschwistern. Von vorn grüßen ein vergrößerter Lufteinlass zwischen den Standlichtern und die beiden sogenannten Naca-Ducts in der Motorhaube. Bei den Rädern entschied Porsche sich für die dreiteiligen 18 Zoll Speedline-Felgen, die auch beim 964 Turbo 3.6 zum Einsatz kamen. Am Heck fällt neben der Doppelrohr-Abgasanlage der für damalige Verhältnisse große, verstellbare Heckflügel auf.
Das Rezept klang auch technisch vielversprechend. Das hochgelobte Chassis des Vierzylinder-Transaxle-Porsches wurde nochmals nachgeschärft. So saß der 968 Turbo S nochmals 20 Millimeter näher an der Straße und wog abermals 20 kg weniger als der 968 Club Sport. Auch der 3,0 Liter Motor wurde umfassend überarbeitet. Der Vierventil-Zylinderkopf wich einem Zweiventil-Kopf und die Verdichtung wurde auf 8,0 : 1 abgesenkt. Das war nötig, um den Motor für die Zwangsbeatmung vorzubereiten.
Die übernahm ein wassergekühlten Turbolader von KKK. Durch 1,0 bar maximalem Ladedruck stieg die Motorleistung von 240 auf 305 PS im Porsche 968 Turbo S. Von 0-100 km/h brauchte der Spitzen-Transaxle 5,0 Sekunden und rannte 280 km/h Spitze. Der Preis: 175.000 DM. Offiziell limitierte Porsche den 968 Turbo S auf 100 Stück. Die 228.000 DM teure Rennversion namens 968 Turbo RS erreichte – je nach Einsatzzweck – sogar bis zu 350 PS.
Aus den angepeilten 100 Porsche 968 Turbo S wurde allerdings nichts. Bereits nach etwas über einem Jahr zog Porsche der Produktion des 968 Turbo S den Stecker. Insgesamt entstanden nur 14 Stück. Den Turbo RS verkaufte Porsche nur für die Rennsaison 1993. Recherchen des deutschen Porsche 968 Clubs zufolge blieb es bei nur vier 968 Turbo RS.
Doch warum fand der Porsche 968 Turbo S/RS so wenig Zuspruch? Dazu braucht es ein bisschen Kontext. Die kommerziellen Probleme des Porsche 968 Turbo S fingen nämlich schon im Rennsport an. Denn das nominal spannende Paket des Turbo RS hatte hausinterne Konkurrenz. Viele Teams setzten weiterhin auf den Porsche 964 Carrera RSR. Er war unkompliziert im Handling und der 964 Cup für viele ambitionierte Hobbyfahrer ohnehin der Einstieg in den Rennsport.
Und genau hier liegt das Problem. Denn der Umstieg vom Heckmotor-Fahrzeugs auf Frontmotor mit Transaxle erforderte fahrerisch und auch technisch viel Anpassung. Allein die Motorkonzepte sind grundverschieden. Während der Boxer-Saugmotor nur auf Drehzahl gehalten werden muss, mussten Fahrer des 968 auch den verzögerten Ladedruckaufbau berücksichtigen. Deshalb trauten sich nur die beiden Rennsportgrößen ROOCK Sportsystem und Joest, einen 968 Turbo RS im ADAC GT-Cup einzusetzen. Die restlichen Porsche-Teams griffen auf den Carrera RSR zurück.
Wir waren froh, als die Saison vorbei war.
Michael Roock
„Die Qualität des RSR ist dem 968 Turbo RS zum Verhängnis geworden“, erinnert sich Michael Roock von ROOCK Sportsystem. Der Leverkusener setzte in seinem Rennteam 1993 sowohl 964 Carrera RSR als auch 968 Turbo RS im ADAC GT-Cup ein. „Der Luftrestriktor hat den Motor des 968 damals etwas abgeschnürt. Auch die Karosserie war schwerer als die des RSR und die Bremsen vorn überhitzten oftmals“, fasst der erfahrene Teamchef die Nachteile des Transaxle-Renners zusammen. Die Teams und auch Porsche selbst hatten sich mehr erhofft, sodass Roock heute sagt, er sei froh gewesen, als die Saison vorbei war. Am Ende war der so vielversprechende Turbo S trotz nominal mehr Leistung und besserer Aerodynamik das langsamere Auto.
Diese Geschichte wiederholte sich gewissermaßen auch beim Serienfahrzeug. Durch die herausragenden Fahrleistungen war der Porsche 968 Turbo S nämlich hausinterne Konkurrenz für die Spitzenmodelle des 911 vom Typ 964. Klar, dass so viel Performance auch ihren Preis hatte. Mit 175.000 DM war er zwar günstiger als der 911 Turbo 3.6, aber 15.000 DM teurer als ein Carrera RS. Die Lücke zum Basis-968 lag sogar bei über 80.000 Mark. Vermutlich zu viel für die Kundschaft. Denn eigentlich war der Porsche 968 – der letzte verbliebene Vierzylinder-Porsche – als Einstiegsmodell positioniert.
Selbst der 928, ursprünglich konstruiert um den 911 zu beerben, blieb in seinen Leistungswerten immer ein Stück hinter dem Elfer. Der 968 wiederum, der 1993 noch gleichzeitig mit dem 928 produziert wurde, war allein schon durch sein Motorkonzept mit nur vier Zylindern unterhalb des V8-Transaxle positioniert. Dass dieser „Einstiegs-Porsche“ nun sogar den schärfsten und schnellsten 911 vom Schlage Carrera RS und Turbo 3.6 gefährlich werden konnte, war in den 90ern nur schwer zu vermitteln. Das belegte auch die Zurückhaltung der Kundschaft. Während das Spitzenmodell 964 Turbo 3.6 über 1.400 mal produziert wurde, waren es eben nur 14 Turbo S auf der Transaxle-Seite.
Autos, die kommerziell floppten, werden mit ein paar Jahrzehnten Abstand oft zu den heißesten Aktien am Gebrauchtmarkt. Zumeist sind es polarisierende Modelle, die ihrer Zeit voraus waren. Ein Blick auf die Geschichte BMWs offenbart ein prominentes Beispiel. Das Spitzenmodell der späten 80er und frühen 90er Jahre, der 8er BMW, blieb weit hinter den erhofften Absatzzahlen zurück. Lange war er unbeliebt und günstig zu haben. Heute liegt er wieder nah am Neupreis.
So verhielt es sich auch beim Porsche 968 Turbo S. Der Titel als seltenster Porsche aller Zeiten geht deshalb an ihn, weil es schlicht nicht genug Nachfrage gab. Dass Porsche aufgrund der für den 968 ungünstigen Konstellation keine 100 Fahrzeuge absetzen konnte, scheint – im Nachhinein betrachtet – bedingt verwunderlich. Dass es bei nur 14 Porsche 968 Turbo S blieb, hingegen schon.
Viele Jahre waren diese Fahrzeuge unter dem Radar. Es dauerte, eh die Preise anzogen. Taucht heute eines der Fahrzeuge am Markt auf, so wie dieses blutorangene Exemplar bei Porsche-Spezialist Stimpfig Automobile, ist das ein Ereignis, über das in der Szene gesprochen wird. Die Clubs wissen um die Geschichte dieser Autos und verfolgen genau, welchen Weg sie nehmen. Dass diese Raritäten heute extrem teuer geworden sind, ist keine Überraschung. Mittlerweile kosten Top-Exemplare um 500.000 Euro.
Dass der Porsche 968 Turbo S ein kostspieliges Missverständnis war, liegt auf der Hand. Das zeigt sich auch darin, wie Porsche mit dem Erbe des sportlichsten aller Transaxle umgeht. Denn selbst in deren eigenen Kanälen wie dem Newsroom und dem Online-Archiv macht sich der seltenste Serienporsche rar. Doch auch das trägt zur Legendenbildung bei. Es scheint fast so, als wären die Weissacher Ingenieure damals von der langen Leine gelassen worden. Denn anders lässt sich kaum erklären, wieso auf Basis des Einstiegsmodells der Marke ein neues Top-Modell zu Homologationszwecken konstruiert wurde.
Die Gründe für wirtschaftlich erfolglose Konzepte sind immer vielschichtig. Sie reichen von schlechtem Timing, über ungeschicktes Marketing oder enttäuschende Performance bis hin zu überhöhten Preisen. Im Fall des Porsche 968 Turbo S ist es vermutlich ein buntes Potpourri grundsätzlicher Fehleinschätzungen, zu geringem sportlichem Erfolg und wohl auch zu hohem Preis. Und spricht ein sonst so traditionsbewusster Hersteller nur derart selten über ein so besonderes Auto, hat auch das Gründe.
Trotzdem war der Porsche 968 Turbo S ein Statement. Es war die finale Machbarkeitsstudie dessen, zu was das Transaxle-Konzept im Stande war. Deshalb ist es schade, dass nur sehr wenige Menschen je erleben können, was es heißt in einem so toll ausbalancierten Chassis in Leistungssphären vorzustoßen, die bei Porsche sonst nur dem 911 vorbehalten waren. Es entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie, dass gerade ein Transaxle-Porsche exklusiver ist als ein Porsche 911 GT1 Straßenversion. Abschließend bleibt die Frage: War der Porsche 968 Turbo S am Ende vielleicht sogar einfach zu gut?
© Titelbild: RM Sotheby’s
Elferspot Magazin