Autofahren im Schnee von Lappland bei knapp -30°C in teilweise über 30 Jahre alten Porsches. Was sich im ersten Moment nach einer ziemlich frostigen Angelegenheit anhört, entpuppte sich als eine der heißesten Möglichkeiten, den Winterblues hinter sich zu lassen. Wir waren im finnischen Levi und besuchten Jan Kalmar, den Kopf hinter KALMAR Automotive und Beyond Adventure. Dort erwartete uns mit dem Spirit of Speed ein zweitägiges Winter-Fahrerlebnis, das ganz sicher niemanden kalt lässt. Wir nehmen euch mit auf die Reise und schildern euch unsere Eindrücke des – so viel kann ich vorwegnehmen – genialen Trips zum Polarkreis.
Das Basislager für Jan Kalmars Beyond Adventure namens Spirit of Speed befindet sich in Levi, dem größten Wintersportzentrum Finnlands. Dort, 135 Kilometer nördlich vom Polarkreis, herrschen perfekte Bedingungen für Winter-Fahrtrainings. Von November bis März sind Schnee und Eis bei Temperaturen von teilweise deutlich unter -20°C garantiert. Am Flughafen Kittilä fühlt man sich wie beim Weihnachtsmann zu Gast. Neben der Runway liegt so viel Schnee, dass in Mitteleuropa bei solchen Bedingungen niemals an Regelbetrieb zu denken wäre.
Vom Terminal aus fahren wir gerade mal 15 Minuten bis zu unserer Unterkunft, dem exklusiven Levi Spirit Resort. Die Route führt über vereiste Straßen entlang der Weltcup-Skipisten von Levi und durch den lappischen Wald. Sofort wird mir klar, wieso Finnland, trotz nicht mal sechs Millionen Einwohnern, so viele Weltklasse-Rallyefahrer hervorgebracht hat. Schon das Fahren auf der Straße ist in Lappland deutlich anspruchsvoller als auf den meist vorbildlich geräumten Straßen Mitteleuropas.
Im Levi Spirit angekommen, wartet eine typisch skandinavische Villa mit dunkler Holzfassade auf uns. Die Einrichtung besticht mit stilvoller und luxuriöser Ausstattung. Natürlich darf die typisch finnische Sauna und der Jacuzzi nicht fehlen. Im Briefing bereitet uns Instruktor Joe Hopkins auf die beiden Fahrtage vor. Der Stunt- und Präzisionsfahrer arbeitete unter Anderem bereits für The Grand Tour und weißt genau, wie man einen Drift kontrolliert. Gemeinsam mit Jan Kalmar und GT4-Rennfahrer Finn Albig sollte er uns die nächsten Tage in die Geheimnisse des kontrolliert instabilen Fahrens auf Eis einweihen.
We ask you to race!
Jan Kalmar, Beyond Adventure Gründer
Am nächsten Morgen wartet etwas ganz Besonderes vor der Tür. Pünktlich um 9 Uhr steht ein Beyond Adventure CS mit laufendem Motor an unserer Villa. Diese speziell umgebauten Porsche Cayennes dienten Jan Kalmar bereits für zahlreiche Rekordfahrten und sogar die Teilnahme an der Rally Dakar! „Unser“ Cayenne war schon als Teilnehmerfahrzeug bei Kalmars Beyond Adventure Namibia Rallies dabei. Wegen seiner auffälligen Folierung nennt das Team den Wagen liebevoll „Comic“.
Darin fahren wir zur Rautuvaara-Mine, etwa 45 Minuten westlich von Levi. Auf dem Areal dieser früheren Eisenerzmine kreierte Jan Kalmar seine ganz persönliche Vorstellung des perfekten Winter-Fahrzentrums. Auf mehr als drei Quadratkilometern hat das Beyond Adventure Team hier 14 Strecken in die Landschaft aus Schnee und Eis gearbeitet. Im Tipi auf dem zugefrorenen See gibt es bei einem Kaffee die letzten Instruktionen und die Zuweisung auf die Autos.
Drei verschiedene Areale gibt es in der ehemaligen Mine zu befahren. Wir starten auf Eis, um uns mit den Autos und vor allem den Reifen vertraut zu machen. Denn statt handelsüblicher Spike-Winterreifen, wie sie in Skandinavien üblich sind geht Jan Kalmar einen Schritt weiter. Durch gute Kontakte erhielt der frühere Rennfahrer und -teammanger Material aus der Rallye-Weltmeisterschaft (WRC). In den 15 und 16 Zoll großen Reifen stecken jeweils 300 sieben Millimeter lange Metallstifte, um selbst auf Schnee und Eis maximale Traktion zu ermöglichen.
Die gesamte Fahrzeugflotte von Spirit of Speed steht auf Spikereifen direkt aus der Rallye-Weltmeisterschaft.
Schon die ersten Meter im Beyond Adventure RS der Generation 993 auf dem kleinen Paddock-Kurs sind beeindruckend. Die WRC-Reifen bieten derart viel Grip im Pylonen-Slalom, dass es relativ viel Mut braucht, um an deren Grenzen zu kommen und den Elfer in den Drift zu zwingen. Im relativ kleinen Kurs kann ich mich behutsam ans Limit tasten und ausprobieren. Als besonderes hilfreich erwies sich das Bremsen mit dem linken Fuß, um Druck auf die Vorderräder zu kriegen und besseres Einlenken zu ermöglichen. Muss man das Auto am Gas in den Drift zwingen, kann man sich des sogenannten „Clutch-Kicks“ bedienen. Dabei bleibt man auf dem Gas, tritt die Kupplung durch und lässt sie sofort wieder zurückschnellen. Durch die plötzlich ansteigende Drehzahl dreht das Rad beim Einkuppeln unweigerlich durch und zwingt den Wagen in den Drift.
Nachdem die ersten Scandinavian Flicks – so nennt man das Einfahren in eine Kurve mittels provoziertem Lastwechsel auf der Bremse – gut von der Hand gingen, machen wir uns zur Arctic Circle genannten Kreisbahn auf. Das Ziel: Mindestens eine Runde konstant im Drift bleiben. Hier holen wir uns noch etwas Routine im Zusammenspiel von Lenkung und Gas, bevor wir auf die großen Pisten wechseln.
Nach dieser Einführung warten technisch anspruchsvolle Eispisten auf uns. Auf den Bahnen mit klangvollen Namen wie Cayman R, Carrera, Targa und GTS müssen wir das Auto von einem Drift in den anderen bewegen. Teilweise öffnen sich die Radien, manche Kurven machen spät zu. Es vergehen mehrere Minuten, in denen man von einem Drift zum nächsten fährt, ohne je einfach nur geradeaus zu fahren.
Je nach Anforderungen und Kenntnissen der Teilnehmer fahren die Instruktoren bei KALMAR auch mal voraus. Hier zeigt mir Joe Hopkins im roten Beyond Adventure RS 964 auf der Strecke „Cayman R“, wie ich enger werdende Kurven am besten meistern kann.
Wir wechseln zwischen 993 und 964 hin und her, können die Autos vergleichen. Und siehe da: Der 964 ist zwar gewissermaßen einfacher zu fahren, braucht aber etwas mehr Drehzahl, um im Drift gehalten zu werden. Fahrwerksseitig geben sich beide keine Blöße und harmonieren perfekt mit den WRC-Reifen. Ich spüre sofort, dass Jan Kalmar genau weiß, wie Autos für diese Bedingungen präpariert sein müssen. Denn alles funktioniert intuitiv, nichts klappert, selbst Bodenwellen im Drift bringen die Autos nicht aus der Ruhe, es gibt keinerlei Überraschungen. Gerate ich doch mal ins Untersteuern, weiß ich sofort, dass es keine Ausreden gibt und ich den Fehler bei mir suchen muss.
Die Hochgeschwindigkeitspiste namens GT3 mit mehr als drei Kilometern Streckenlänge heben wir uns für den Nachmittag auf. Denn beim Blick auf die Uhr wird klar: Der erste halbe Tag mit mehr als drei Stunden non-stop am Lenkrad verging wie im Flug. Ich kann mich nicht erinnern, jemals bei einem Fahrtraining derart viel Fahrzeit, vor allem auch am Stück, gehabt zu haben. Zugegeben, auf dem Weg vom Parkplatz zum urigen Restaurant merke ich das Adrenalin. Die Knie kribbeln schon ein wenig… Nach traditionell lappländischem Eintopf mit Flammlachs zum Mittag konnten wir es allerdings kaum erwarten, wieder in die Autos zu steigen.
Für die nächsten Etappen – man könnte sie auch Wertungsprüfungen nennen – wechseln wir abermals die Fahrzeuge. Ich nehme im Beyond Adventure RS-C Platz, einem giftgrünen Cayman R mit Porsche Doppelkupplungsgetriebe (PDK). Wir machen uns auf zur Halbinsel. Dort erwarten uns enge Eiskanäle und etwas Topographie. Den Mittelmotor-Porsche über die Kuppen fliegen zu lassen, ist eine wahre Freude. Doch es kostet Überwindung, den Cayman auf den sehr schmalen Strecken quer in die Kurve zu feuern.
Der Sonnenuntergang in Lappland will gefühlt gar nicht enden. Bereits früh am Nachmittag bietet sich eine atemberaubende Szenerie.
Nach kurzer Eingewöhnung schickt uns Joe Hopkins auf die Rallye-Strecke im Wald namens Moby Dick. Joe fährt im 964 voraus, ich im Beyond Adventure RS-C hinterher. Wir driften im Tandem durch den finnischen Wald in Richtung Sonnenuntergang – Wow! Die Schönheit der eisig kalten Winterlandschaft offenbart sich auf der Etappe im Wald durch das Wechselspiel aus Licht und Schatten ganz besonders. Dieses Erlebnis werde ich ganz sicher mein Leben lang nicht vergessen!
Die Rallye-Etappen im Wald erfordern Mut. Wer hier einen Fehler macht, kommt ohne die Hilfe eines Abschleppers kaum noch aus dem Schnee heraus.
Mittlerweile ist es merklich dunkler geworden. Joe und ich fahren in Richtung der GT3 Hochgeschwindigkeitsstrecke. Hier macht Joe das Versprechen Jan Kalmars vom Vortag wahr. Erst fährt Joe voraus, dann ich. Es fühlt sich fast wie ein Rennen an. Die Geschwindigkeiten auf der Strecke, die extrem flüssige Schwünge zulässt, sind enorm. Der Tacho schnellt auf bis zu 160 km/h! Dank der unglaublich hellen Zusatzscheinwerfer auf dem Dach sind die Sichtverhältnisse auf der Strecke sogar besser als im Tageslicht. Man hat das Gefühl, eine Mondlandschaft ganz für sich allein zu haben – mit Ausnahme des direkt hinter einem fahrenden 964.
Auf der Verfolgung: Trotz des deutlich stärkeren und nominal schnelleren Cayman ließ sich der 964 in den Händen des Instruktors nicht abschütteln.
Man hat das Gefühl, eine Mondlandschaft ganz für sich allein zu haben.
Das Tageshighlight folgte dann bei der gezeiteten Abschlussprüfung über den Rally Grande Kurs. Die Königsdisziplin ist eine Kombination aus den schönsten Strecken auf dem zugefrorenen See. Damit ich auf der mehr als acht Minuten andauernden Sonderprüfung nicht die Orientierung verliere, liest mir der erfahrene Präzisionsfahrer Joe aus dem „Gebetbuch“ vor. So nennt man den Aufschrieb der Copiloten bei echten Rallies.
Ich fühle mich knapp 20 Jahre zurückversetzt an den heimischen Rennsimulator. Die virtuelle Rallye-Erfahrung erleichtert es, den „Pacenotes“ zu folgen. „Three Left, into four right, tightens…“ In Anbetracht der Geschwindigkeiten, die wir anlegen, wird mir nochmal besonders klar, wieso blindes Vertrauen zwischen Fahrer und Beifahrer bei Rallies so wichtig ist.
Nach diesem krönenden Abschluss endet unser erster Fahrtag. Auf der Rückfahrt in Richtung Levi lassen wir die Erfahrungen revue passieren und fahren mit einem Leuchten in den Augen zurück zu unserer Villa. Nach der traditionell finnischen Sauna wartete noch ein echt lappisches Dinner mit regionalen Spezialitäten wie Leipäjuusto und Rentier auf uns. Zurück im Levi Spirit genießen wir noch ein Lapin Kulta, ein in Lappland gebrautes Bier und träumen anschließend von Sechszylinder-Boxersound und großen Driftwinkeln.
Viel Zeit blieb nicht, um das Erlebte zu verarbeiten. Denn an Tag zwei geht es abermals Schlag auf Schlag. Jan Kalmar übergibt mir die Schlüssel zum KALMAR 7-97 RS-R, dem extremsten Fahrzeug der Spirit of Speed-Flotte. Das 1,125 Kilogramm leichte Ungetüm, das KALMAR Automotive auf 993-Basis fertigt, ist ein wahres Fest für Porsche-Enthusiasten. Unter der Kevlar-Karosserie mit Carbon-Dach schlummert ein luftgekühlter 4,1 Liter Motor mit 401 PS und 450 Nm Drehmoment. Neben Kalmars eigens entwickelter elektronischer Motorsteuerung ist echte Rallye-Technik in Form eines elektronisch einstellbaren Fahrwerks und einer hydraulischen Handbremse an Bord.
Wenn Jan Kalmar (r.) von seinen Autos erzählt, kommt der sonst so nordische Charakter richtig aus sich heraus.
Das Fahrerlebnis in diesem Auto ist kaum in Worte zu fassen. Zumal man auf den ersten Blick nicht erwarten würde, welche technischen Innovationen im KALMAR 7-97 RS-R stecken. Denn das Kohlefaser-Kleid erinnert von außen an einen zunächst Rallye-Porsche vergangener Tage. Erst auf den zweiten Blick offenbaren sich die zahlreichen Anpassungen. Der Motor spricht seidenweich an und offeriert ein süchtig-machendes Ansauggeräusch. Direkt hinter meinen Ohren verläuft – statt des hinteren Dreiecksfensters – der Ansaugkanal, der die Einzeldrosselklappenanlage mit Frischluft versorgt.
Wie dieser Motor bis in den Begrenzer bei knapp 8.000 Umdrehungen das leichte Auto voranschiebt, ist atemberaubend. Wüsste ich es nicht besser, würde ich anhand des säuselnden Ansauggeräuschs und des gummibandartigen Schubs fast einen Kompressormotor vermuten! Schnelle Gangwechsel gehen durch den direkt neben dem Lenkrad liegenden Schalthebel mit ultra-kurzen Wegen genial von der Hand. Dieser Safari-Porsche ist bis ins letzte Detail durchdacht und für extremste Bedingungen konstruiert. Nach einigen Runden auf dem See möchte ich nur widerwillig aus dem über 400.000 Euro teuren Edel-Umbau aussteigen.
Doch es gibt noch mehr zu entdecken. Sozusagen als persönliches Bonbon zum Abschluss präpariert Jan mit dem Beyond Adventure RS-6 einen Safari-Umbau auf Basis des Porsche 996 Carrera. Mit 45.000 Euro Umbaukosten ist er sozusagen der Gegenentwurf zum RS-R, das Einstiegsmodell in die KALMAR Automotive-Welt. Davids Wahl für unsere letzten Runden auf dem Moby Dick genannten Waldkurs fällt auf den Beyond Adventure RS auf 993-Basis.
Ein letztes Mal fahren wir beide diese unglaublichen Autos in der wunderschönen Nachmittagssonne Lapplands. Während ich den RS-6 quer bis zum Lenkanschlag durch den Wald drifte, ertappe ich mich beim Gedanken daran, ob ich nicht irgendwie das Geld für einen 996 Carrera und den Umbau bei KALMAR Automotive zusammenbekommen könnte.
Berauscht von den vielen Eindrücken kommen wir nicht umhin, auch nochmal die Szenerie und dieses unwirkliche Erlebnis mit allen Sinnen auszukosten. Glücklich schweigend blicken wir über das Areal der alten Mine. Dieser Abenteuerspielplatz für Erwachsene hinterlässt unweigerlich ein surreales Gefühl der Dankbarkeit, so ein Event erleben zu dürfen.
Jan Kalmar ist ein echter Typ. Der in Dänemark geborene Kopf hinter Beyond Adventure nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt frei raus, was er denkt. Viele Jahre organisierte er Winter-Fahrtrainings für Hersteller und fragte sich eines Tages: „Warum nicht etwas Gutes noch besser machen?“ Angetrieben von diesem Ziel entwickelte er das Konzept hinter Beyond Adventure. Und genau so soll auch sein Konzept verstanden werden – Spirit of Speed geht über das hinaus, was viele schon als Abenteuer verstehen würden. Es geht um puren Fahrspaß, ohne jede Ablenkung.
Die Tage hier in Finnland waren ein geniales Erlebnis. Von der Organisation über das super Team bis hin zu den Autos war alles perfekt. Brauchte man Hilfe, war sofort jemand zur Stelle. Dass wir sogar Nordlichter und Rentiere sehen durften, setzte dem ganzen die Krone auf.
David Fierlinger, Elferspot
Nach zwei Tagen Beyond Adventure Spirit of Speed können wir bestätigen, dass die Mission geglückt ist. Dieses Winterfahrtraining bietet täglich so viel Fahrzeit und Erfahrungen, dass es neben Konzentration auch einiges an Kondition erfordert. Und genau das ist gewünscht. Denn am Ende profitieren die Teilnehmer – neben dem offensichtlichen Fahrspaß selbst – dann am meisten, wenn sie aus ihrer Komfortzone herauskommen und über ihre bisherigen Grenzen hinausgehen.
Spirit of Speed ist eine einmalige Erfahrung. Das Gelände, die Autos und die Szenerie ergeben ein atemberaubendes Gesamtbild. Jan Kalmar und sein geniales Team fördern und fordern, ohne zu überfordern. Vermutlich habe ich noch nie so viel in zwei Tagen gelernt, wie hier.
Richard Lindhorst, Elferspot
© Fotos: David Fierlinger, Elferspot
Elferspot Magazin