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Reif für die Straße

15.05.2018 Von Markus Klimesch
Reif für die Straße

Claudio Roddaro zeigt, wie man einen legendären Werksrennwagen auf öffentliche Straßen bringt. Unter das lebhafte Treiben und die lautstarken Gespräche auf der Terrasse eines beliebten Restaurants an der Riviera mischt sich plötzlich ein tiefes Grollen. Dröhnend steigt es an eleganten High-Heels und Tischbeinen empor und versetzt die schmalen Stile edler Weingläser in hektische Schwingungen.

Porsche 917-037

Porsche 917-037

Wütendes Knallen und Röhren schallt von der Straße herüber, gefolgt von einem letzten, ohrenbetäubenden Brüllen.

Wütendes Knallen und Röhren schallt von der Straße herüber, gefolgt von einem letzten, ohrenbetäubenden Brüllen. Feine Speisen fallen von Silbergabeln und einem Kellner, der sich eben noch geschmeidig seinen Weg durch die verstörten Gäste bahnte, rutscht eine ungeöffnete Flasche Biondi Santi aus der Hand und zerschellt auf den gnadenlosen Terrakotta-Fliesen.

Der Monegasse Claudio kaufte im Jahr 2016 das Modell 917-037

So ähnlich stellen wir es uns jedenfalls vor, wenn Claudio Roddaro zum Abendessen ausgeht, denn dieser zuvorkommende junge Amateur-Rennfahrer hat sich einen hochkarätigen Traum erfüllt, den wohl jeder hartgesottene Porsche-Fan schon mehr als einmal geträumt hat: Einen originalen 917 nicht nur zu besitzen, sondern ihn im Straßenverkehr zu fahren.

Im Jahr 2016 kaufte der Monegasse Claudio das Modell 917-037. Als leidenschaftlicher Sammler – und Fahrer – von seltenen Porsche-Rennwagen machte er sich umgehend daran, das Fahrzeug für den öffentlichen Straßenverkehr tauglich zu machen. Kein ganz einfaches Unterfangen bei einem über 40 Jahre alten Le-Mans-Prototyp. Doch glücklicherweise gab es bereits einen Präzedenzfall; oder zwei, um genau zu sein. Bereits zwei Mal zuvor war ein originaler 917 für den Straßenverkehr zugelassen worden.

Porsche 917-037

Der erste, mit der Fahrgestellnummer 917-021, allerdings nur kurz und schon vor vielen Jahren. Im anderen Fall dagegen handelt es sich um das berühmte Modell 030, das schon kurz nach Fertigstellung in den Besitz des inzwischen verstorbenen Graf Rossi übergegangen war – jenes italienischen Adligen, der einst den legendären Sponsorendeal zwischen Martini und Porsche eingefädelt hatte. Dank eines mehr als fragwürdigen Schlupflochs verfügt dieses komplett in Silber gehaltene und mit Leder ausgestattete Kraftpaket seit seinem Ausscheiden aus dem Rennbetrieb in den frühen 70er Jahren bis heute über eine Straßenzulassung. Genau dieses Fahrzeug sollte Claudios Rettung sein.

Denn damit sein eigener 917K für den Straßenverkehr zugelassen werden konnte, musste Claudio beweisen, dass sein Fahrzeug genau dem von Rossi entspricht. Das war allerdings leichter gesagt als getan. Nachdem der deutsche Karosseriehersteller Baur das unfertige Chassis 037 Ende der 70er Jahre gekauft hatte, blieb es jahrzehntelang unvollendet. Schließlich wurde es an einen US-amerikanischen Sammler verkauft, der es zur Fertigstellung in die Hände von Carl Thompson von Gunnar Racing in Long Beach gab. Erst im April 2004, mehr als 30 Jahre nach Produktionsbeginn, kam 917-037 bei der Rennsport Reunion in Daytona zu seinem mehr als überfälligen Debut in der Öffentlichkeit.

917-037: krönender Abschluss der Baureihe

Und da Porsche das Fahrzeug über all diese Jahre hinweg nie aus den Augen verloren hatte, konnte das Unternehmen den neuen Besitzern auf Anfrage eine Chassis-Platte zur Verfügung stellen, die beweist, dass es sich bei Modell 037 um einen originalen 917 handelt. Somit stellt dieses Modell den krönenden Abschluss der Baureihe dar. Doch damit nicht genug: Da das Fahrzeug zu gut 95 % aus Porsche-Originalbauteilen besteht, ist es zugleich der originalgetreueste 917 der Welt – was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass das Modell nie im Rennbetrieb eingesetzt und folglich auch nie beschädigt wurde.

Nach zwei Monaten nervenzehrender bürokratischer Kleinstarbeit in Monaco, in denen turmhohe Papierstapel geprüft und genehmigt und unzählige Hürden übersprungen werden mussten, war es dann endlich soweit: Claudios 917K, im authentischen Martini-Racing-Look mit Aufklebern der damaligen Sponsoren ohnehin schon ein wunderbarer Anblick, zieren nun auch zwei sehr ansehnliche Nummernschilder.

Sein luftgekühlter 4,9 Liter 180-Grad-V12-Motor bringt es nach wie vor auf gut 600 PS; eine beachtliche Leistung, die sich auch vor den mächtigen Supersportwagen von heute nicht verstecken muss. Allerdings wiegt das Fahrzeug gerade einmal 600 kg, nicht einmal die Hälfte eines modernen 911 GT3, und erreicht so problemlos die Marke von 1000 PS pro Tonne. Im Straßenverkehr. In einem fast 50 Jahre alten Fahrzeug.

Unzählige Super- und Hypersportwagen defilieren durch die engen Straßen Monacos oder über die Hänge entlang der französischen und italienischen Rivieraküste, die unverzichtbaren Spielzeuge, mit denen sich Playboys gegenseitig überbieten. Es macht Spaß, sich vorzustellen, wie jetzt, wann immer Claudio auf den Plan tritt, die Konkurrenz ringsum verstummt.

Credits: Text and pics Porsche Newsroom, © 2018 Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG. Erstmalig erschienen im Magazin Speedster [Frankreich].

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