Porsche gilt mittlerweile seit Jahrzehnten als Pionier der Turbotechnik. Mit dem 930 brachte Porsche 1974 den ersten Sportwagen mit Abgasturbolader auf den Markt. In mittlerweile über fünf Jahrzehnten entwickelte Porsche die aus dem 917 entliehene Technik in der Serie immer weiter. Porsches Pionierarbeit reichte dabei von Ladeluftkühlern über Biturboaufladung bis hin zum sogenannten VTG-Lader. Zum Modelljahr 2006 präsentierte Porsche erstmals einen solchen Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie. Es war eine Premiere im Serienfahrzeugbau. Wir nehmen euch mit auf eine kleine Reise durch die Evolution der Turboaufladung im Hause Porsche.
Schon beim Renneinsatz der zwangsbeatmeten Porsche 917 sowie den späteren 935, 956 und 962 war die Fahrbarkeit das alles bestimmende Thema. Gerade Fahrer älterer Porsche 911 Turbo werden es kennen – wenig Druck im Drehzahlkeller, plötzlich einsetzender Schub im mittleren Drehzahlbereich. Im Volksmund wird gern der Begriff „Turboloch“ zur Beschreibung verwandt. Über Jahrzehnte war eine solche Form der Leistungsentfaltung bei Turbomotoren Usus. Doch wie entsteht das Turboloch überhaupt? Die Antwort darauf liegt in der Physik.
Gemeint ist der Teil des Drehzahlbands, in dem der Turbolader noch nicht den maximalen Ladedruck bereitstellen kann. In den unteren Drehzahlbereichen genügen die Abgasströme noch nicht, um die Turbine auf die Zieldrehzahl zu beschleunigen. Also dreht auch der Verdichter für die Ansaugluft nicht mit Solldrehzahl. Deshalb liegt dort weniger Ladedruck an. Das bedeutet weniger Drehmoment und somit auch weniger Leistung. Ist jedoch der maximale Ladedruck erreicht, schnellt das Drehmoment rasch in die Höhe. Der weltberühmte „Tritt ins Kreuz“ ist die Folge. Je größer Turbine und Verdichter, umgangssprachlich der Turbolader, desto ausgeprägter der Effekt.
Saugmotoren haben hingegen eine gleichförmigere Leistungs- und Drehmomentkurve. Deshalb kamen im Rennsport des 20. Jahrhunderts zumeist hochdrehende Saugmotoren ohne Turboaufladung zum Einsatz. Sie waren leichter zu fahren, deutlich berechenbarer. Die potenziell erhebliche Mehrleistung aufgeladener Motoren war allerdings reizvoll. Porsches Ingenieure suchten deshalb nach Lösungen, um einen konkurrenzfähigen Renneinsatz der Turbotechnik zu ermöglichen.
Die damalige Entwicklungsabteilung um Hans Mezger experimentierte eifrig, um die Vorteile der Turbotechnik im Rennsport nutzen zu können. Die ersten Hilfsmittel in den Anfängen der Turbomotoren waren Wastegates und sogenannte Dampfräder. Wastegates, also Bypass-Ventile, können Teile des Abgasstroms am Turbolader vorbeileiten, um den Ladedruck zu regeln. Die Regelung erfolgt dabei automatisch, ohne Eingriff der Fahrer.
„Alle Hilfsmittel, die wir verwendet haben, hatte es schon gegeben, sie waren nur falsch eingesetzt und verworfen worden. Wir haben sie wiederentdeckt – und neu erfunden.“
Hans Mezger über die Arbeiten zur Zähmung des Turbomotors
Das Dampfrad, also eine manuelle Ladedruckregelung, erlaubte es hingegen den Fahrern, den Ladedruck selbstständig im Cockpit zu regeln. Mittels Federmechanismus kann damit dem Wastegate ein zu hoher oder eben niedriger Ladedruck vorgegaukelt werden. Das Wastegate regelt dann entsprechend nach und kann so die Leistung situativ deutlich erhöhen oder reduzieren. Diese Technik wurde zum Beispiel serienmäßig im RUF CTR eingesetzt. Durch diese Kniffe erzielte Porsche mit dem 917/10 und 917/30 die ersten Rennerfolge mit turboaufgeladenen Motoren. Die Erfahrungen waren die Grundlage zur Markteinführung des ersten Porsche 911 Turbo, dem 930, im Jahre 1974.
Nachdem die erste Iteration des Porsche 911 Turbo einen Nerv getroffen hatte, folgte zum Modelljahr 1978 der 911 Turbo 3.3. Durch zwei Millimeter mehr Bohrung wuchs der Hubraum von 3,0 auf 3,3 Liter. Außerdem implantierte Porsche seiner neuen Speerspitze eine weitere Rennsportentwicklung – den Ladeluftkühler.
Bei gleichbleibender Verdichtung und Oktanzahl ermöglicht eine Ladeluftkühlung eine höhere Aufladung und somit mehr Motorleistung. Versuche mit einem Ladeluftkühler ergaben eine Reduktion der Ansaugtemperatur auf 50 – 60 °C. Das bedeutet eine höhere Sauerstoffdichte in der Ansaugluft, was wiederum geringere Luftmengen für den Verbrennungsprozess erfordert. Die Temperatur im Brennraum nahm dadurch ebenfalls merklich ab. So konnte ein kleinerer Turbolader genutzt werden, was wiederum weniger „Turboloch“ bedeutet.
Richard Lindhorst, Elferspot Kaufberatung Porsche 911 Turbo 3.3
Eine weitere Neuheit brachte Porsche im Supersportwagen 959 zur Serienreife. Erstmals erhielt ein Fahrzeug zwei hintereinander geschaltete Turbolader. Dieses Prinzip nennt man sequentielle Aufladung, bzw. Registeraufladung. Ein Turbolader mit kleinerer Turbine spricht dabei schon bei niedrigeren Drehzahlen an, gefolgt von einem zweiten Turbolader mit größerer Turbine, der in höher liegenden Drehzahlen Ladedruck bereitstellt.
Die Registeraufladung fand nie den Weg in einen Serien-Elfer. Sehr wohl allerdings ein anderes auf zwei Turboladern beruhendes Konzept – die Biturboaufladung. Der Porsche 993 Turbo setzte erstmals auf diese Technologie. Je einer von zwei gleichgroßen Turboladern ist dabei für jeweils eine Zylinderbank zuständig. Dieses Prinzip ermöglicht den Einsatz zwei kleiner, statt eines großen Turboladers und damit schnelleres Ansprechverhalten. Gleichzeitig führt Porsche eine OBD-II-basierte Abgasdiagnose ein, um Emissionen und Verbrauch weiter zu reduzieren. Das Resultat war beeindruckend – der 993 Turbo hatte den emissionsärmsten Serienantrieb der Welt.
Auch bei der Premiere des 997 Turbo wusste Porsche mit einer Weltneuheit zu beeindrucken. In dessen Heck werkelte der erste Benzinmotor mit einem sogenannten VTG-Lader. Diese Technik war aufgrund der deutlich höheren Abgastemperatur bei Otto-Motoren bis dahin nur Diesel-Triebwerken vorbehalten. VTG steht dabei für Variable Turbinengeometrie. Über ein Gestänge ließ sich bei den zwei VTG-Ladern am M97/70 Motor der Anstellwinkel der Turbinenschaufeln verstellen. Bei geringeren Abgasmengen, also z.B. im unteren Drehzahlbereich mit wenig Last, werden die Schaufeln steiler gestellt. So kann die Laderdrehzahl über das gesamte Motordrehzahlband hinweg bedarfsgerecht gesteuert werden.
Dadurch kann auch bei geringeren Abgasströmen die Turbinendrehzahl auf einem hohen Niveau gehalten werden. Das sorgt für abermals schnelleres Ansprechverhalten. Bei steigenden Abgasmengen werden die Schaufeln dann wieder flacher gestellt. Porsche eliminierte mit dem VTG-Lader das Turboloch nahezu komplett. Das manifestiert sich besonders beim Porsche 991.2 oder 992 Carrera (S). Durch den VTG-Lader konnte Porsche ein sehr konstantes Drehmomentplateau ab 2.000 U/min bereitstellen. Die Leistungskurve der 3,0 Liter Biturbo-Motoren ist dadurch annähernd linear. Daher entfaltet sich die Leistung sehr ähnlich wie bei den atmosphärischen Motoren des Vorgängers.
Turbomotoren aus Stuttgart Zuffenhausen zählten schon immer zum Besten, was die Welt der Verbrenner zu bieten hatte. Die Granden um Mezger und Singer kultivierten zwangsbeatmete Motoren in den 70er Jahren für den Renneinsatz und machten sie in straßenzugelassenen Sportwagen salonfähig. Ähnlich wie am Konzept 911 feilten Porsches Ingenieure über Jahrzehnte an der Optimierung der Turboaufladung.
Heraus kamen Meisterwerke der Ingenieurskunst. Das Turboloch ist mittlerweile eher ein Relikt der Vergangenheit statt eines tatsächlichen Problems. Spezifische Leistungswerte von 150 PS pro Liter Hubraum sind mittlerweile an der Tagesordnung. Und das unter Einhaltung strenger Abgasvorschriften und bei noch vor 30 Jahren unvorstellbaren Verbrauchswerten. Mit Ausnahme der 4,0 Liter Modelle, wie dem Cayman GT4 RS oder 992 GT3 sind Turbomotoren bei Porsche das Maß der Dinge.
Anfang 2022 eingereichten Patenten zufolge arbeitet Porsche schon an der nächsten Neuheit für die Turboaufladung. Darin wird ein Turbolader skizziert, dessen Abgasturbine keine mechanische Verbindung mehr zum Verdichter hat. Stattdessen wird über die Abgasturbine Strom gewonnen, der einen Generator antreibt, der wiederum die elektrische Energie für den Verdichter bereitstellt. So oder so, Porsche steht für hochdrehende Saugmotoren und Turbomotoren gleichermaßen. Sein wir gespannt, was die Zuffenhausener Ingenieure noch für Überraschungen vor dem endgültigen Aus des Verbrennungsmotors bereithalten.
Elferspot Magazin