1962 ist der damals 21-Jährige Rainer Schlegelmilch zum ersten Mal beim 1.000-Kilometer-Rennen am Nürburgring. Schon bei dieser ersten Begegnung wird ihm klar, dass er seine freie Zeit an den Rennstrecken dieser Welt verbringen möchte. Rainer Schlegelmilch war fünfzig Jahre lang akkreditierter Formel-1-Fotograf. Mit seinen Zoomfotos revolutionierte er die Motorsportfotografie und war auf nahezu allen Rennstrecken der Welt Zuhause. Nach über 40 Bildbänden widmete sich Rainer Schlegelmilch nun erstmals der Rennsporthistorie seiner Lieblingsmarke. In Kooperation mit dem Taschen Verlag präsentierte er kürzlich seinen neuesten Bildband namens Porsche Racing Moments.
Wenn Rainer Schlegelmilch über den Rennsport der 1960er bis 1980er Jahre spricht, gerät er ins Schwärmen. Neben den Sportwagen selbst hat ihm vor allem das Fahrerfeld sehr imponiert. „Damals sind die Formel-1-Fahrer auch in Le Mans bei den 24 Stunden gefahren. Es waren die selben Leute, der selbe Fahrerzirkus und der selbe hohe Qualitätsanspruch an die Sportwagen“, erinnert sich der mittlerweile 82-Jährige.
Die Langstreckenrennen mit ihren ganz eigenen Geschichten zogen Schlegelmilch in ihren Bann. So sehr, dass er, neben der Selbstständigkeit im Frankfurter Fotostudio und dem Hobby Formel 1, auch bei der Sportwagen-Weltmeisterschaft fotografierte. „Im Sonnenaufgang die Boxenstopps mit Fahrerwechsel zu sehen, war etwas ganz anderes als die Formel 1.“
Zwar war diese Zeit ein Eldorado für Rennsportfotografen, allerdings auch sehr gefährlich. „Es gab große Erdwälle für uns als Fotografen und die Marshalls genau neben der Strecke. Man hat unmittelbar in die Fahrzeuge und Gesichter hinein fotografieren können. Das war ein Traum!“ Engmaschige Sicherheitszäune waren noch kein Thema großes Thema. Und wenn es sie gab, wussten die Fotografen sich per Seitenschneider zu helfen.
Im Sonnenaufgang die Boxenstopps mit Fahrerwechsel zu sehen, war etwas ganz anderes als die Formel 1.
Rainer Schlegelmilch über die Reize der Langstreckenrennen
Zwischen 1963 und 1988 kam Schlegelmilch in der Sportwagen-WM so dicht an Porsches Rennwagen wie kaum ein anderer. Pro Langstreckenrennen schoss er dabei etwa 60 bis 300 Fotos. Ein guter Freund brachte ihn auf die Idee, diese Bilder in einem Buch zu verarbeiten.
Die Bildauswahl folgte einem ganz bestimmten Mantra: „Es fügt sich jedes Mal die Story eines Rennens zu einer Bildergeschichte zusammen“, betont Schlegelmilch. Seine Porsche Racing Moments erzählen nicht weniger als die illustre Geschichte Porsches im Langstreckensport. Vom Einstieg in den kleineren Klassen mit Typen wie dem Porsche 550 oder 718 spannt Schlegelmilch einen Bogen über den ersten Gesamtsieg im 917 bis zur totalen Dominanz in der Gruppe-C-Ära.
Diese Erfolgsgeschichte zeigt er dabei in allen Facetten. Anfangs noch in schwarz/weiß, später in Farbe, nimmt er uns mit auf seine ganz persönliche Reise. Dabei portraitiert der von Kollegen ehrfürchtig Zoom-Meister genannte Schlegelmilch aber nicht nur die Autos und Fahrer, sondern hielt gekonnt auch das Geschehen im Hintergrund fest. Die Bildauswahl ist gespickt mit spannenden Aufnahmen aus Sicht der Mechaniker und ausdrucksstarken Portraits der Fahrer.
Rainer Schlegelmilchs Porsche Racing Moments erzählen seine eigene Reise durch die Welt der Sportwagenrennen auf 356 Seiten. Er nimmt uns auf die 1969er Targa Florio während der Porsche 908 von Gérard Larrousse vor den Augen von sechs Schuljungen durch die Collesano-Kehre fährt. Oder auf die Start-Zielgerade nach dem Ende des 24-Stunden-Rennens von Le Mans 1973. Vor dem zehntplatzierten Porsche 911 Carrera RSR von Jürgen Barth und Georg Loos haben hunderte Polizisten ihre liebe Mühe, die Zuschauermassen in geordnete Bahnen zu lenken.
Und dann wären da noch die menschlichen, teils komischen Aufnahmen der Helden von damals. Wie zum Beispiel die Aufnahme des Fahrerquartetts von John Wyer vor den 1.000 km von Monza 1970. Hinter Jo Siffert, Brian Redman und Leo Kinnunen sieht man Pedro Rodriguez mit verschränkten Beinen liegend auf einem Porsche 917 mit offener Tür. Beim Blick auf die sauber aufgereihten Werkzeuge in der offenen Boxengasse von Le Mans wird einem zudem sehr bewusst, wie schnell sich der Motorsport über die Jahrzehnte entwickelt hat.
Rainer Schlegelmilch liebt die Fotografie seit seinem 14. Lebensjahr und entschied sich früh, eine professionelle Fotoausbildung zu machen. Doch im Rennsport sah er sich beruflich nicht. „Ich habe gemerkt, dass es zwar tolle Fotografie ist, aber nicht mein Beruf werden sollte. Schließlich wollte ich Geld verdienen! Ich habe gelernt, ich muss in die Werbung, wenn ich mir mal einen Porsche leisten will.“
Ich wollte ein sportliches Auto mit einem Image, das einem Motorsportfotografen gut tat.
Rainer Schlegelmilch auf die Frage, wie er zum Porsche 911 kam
Mit dem verdienten Geld aus Auftragsarbeiten, zum Beispiel für die Autoindustrie, finanzierte sich Schlegelmilch sein Hobby und letztlich auch seine Auto-Leidenschaft. Früh kaufte er sich seinen ersten Porsche 911 Targa. „Ich wollte ein sportliches Auto mit einem Image, das einem Motorsportfotografen gut tat“, erzählt er. Ferrari sei ihm „zu fragil“ gewesen. Heute fährt er seinen zwölften Porsche, einen 991.2 Carrera 4 GTS Targa.
Dass Schlegelmilch nun, 35 Jahre nachdem er die letzten Aufnahmen fertigte, gerade Porsches Rennsport der 60er bis 80er Jahre in „Porsche Racing Moments“ zusammenfügt, schließt also gewissermaßen den Kreis. „Ich habe das Auto in seiner besten Zeit erlebt. Ein Porsche 917 war ein Kunstwerk. Aber es war auch eine Kunst, ihn zu fahren“, so der Star-Fotograf, der auch heute noch gern die Geschwindigkeit auf der deutschen Autobahn genießt.
Rainer Schlegelmilchs neuester Bildband ist – anders als seine bisherigen Arbeiten – streng limitiert. Das in Kunstleder gebundene Hardcover mit eingefasstem ChromaLuxe-Aluminiumprint gibt es nur 962 Mal. Alle Exemplare sind nummeriert und von Schlegelmilch signiert. Neben den Bildern stammten übrigens auch die Texte und das Layout aus der Feder des Altmeisters. Um das 5,8 Kilogramm schwere Buch entsprechend in Szene zu setzen, liegt ein gravierter Buchständer aus Acryl bei.
Porsche Racing Moments ist eine Chronik des Langstreckenrennsports zwischen 1963 und 1988. Rainer Schlegelmilchs Aufnahmen versetzen einen direkt ins ölverschmierte, nach Benzin riechende Fahrerlager.
© Rainer Schlegelmilch / Motorsport Images
Rainer W. Schlegelmilch (* 1941 in Suhl, Deutschland) ist ein deutscher Fotograf, der vor allem durch seine Arbeiten für die Automobilindustrie sowie seine Motorsportfotografie weltweit Bekanntheit erlangte.
Er war 50 Jahre lang selbstständiger, akkreditierter Fotograf in der Formel 1. Seine Aufnahmen verkaufte er anschließend an Publikationen wie Auto, Motor und Sport sowie Road & Track. In Fotografenkreisen ist Rainer Schlegelmilch als Zoom-Meister bekannt. Seine Aufnahmen hatten stets das Ziel, den Fahrer bzw. dessen Helm scharf zu stellen. Die Umwelt durfte und sollte verwischen, um Dynamik und Geschwindigkeit der Fahrzeuge festzuhalten.
Berühmt ist Schlegelmilch unter anderem für seine Aufnahmen zwischen der Loews Haarnadel und der Portier Kurve am Formel-1-Kurs von Monte Carlo. Dort hat er über die gesamten 50 Jahre hinweg jedes Jahr von der gleichen Stelle aus fotografiert. Diese Stelle wird in der Szene gern als „Schlegelmilch-Kurve“ bezeichnet.
2011 überreichte ihm Bernie Ecclestone persönlich einen lebenslang gültigen Presse-Fotografenpass für das Formel 1 Paddock. Insgesamt besuchte er über 600 Grand Prix. Er verfügt über das weltweit größte Foto-Archiv der Formel 1. Schlegelmilch schoss allein 30.000 Aufnahmen von Michael Schumacher. 2017 verkaufte er die Rechte an seinen Bildern an Motorsport Images.
Elferspot Magazin