Der Porsche 964 Turbo S Leichtbau stammt abermals aus einer Zeit, die Porsche wirtschaftlich schwer zu schaffen machte. Anfang der 90er stand das Unternehmen kurz vor der Pleite. Rolf Sprenger, Initiator des Porsche Sonderwunschprogramms und damals Leiter von Porsche Exclusive hatte eine Idee. Sprenger wollte auf Basis des Porsche 964 Turbo 3.3 eine Art RS Version in Kleinserie bauen. Heraus kamen am Ende 86 Fahrzeuge, die mit den klassischen Tugenden des Porsche 911 Turbo brechen durften.
Ende 1991 unterzog Porsches Vorstand sich nach dem Ausscheiden von Ulrich Bez einer Zäsur. Horst Marchart, der später auch für den Boxster verantwortlich zeichnete, übernahm dessen Posten als Vorstand für Forschung und Entwicklung. Er sollte neue Modelle kreieren, um Porsche wieder wirtschaftlich zu machen. Der vermutlich Ende ’91/Anfang ’92 eingereichte Vorschlag Rolf Sprengers dürfte Marchart da zu Pass gekommen sein.
Eine sportlichere Version des Turbo sollte her. Unter dem Arbeitstitel Porsche 964 Turbo „RS“ (Leichtbau) reichte Sprenger die Vorlage ein. Den Grundsatzbeschluss dazu fasste der Vorstand wohl im Januar 1992. Danach ging alles sehr schnell. Schon im Frühjahr 1992 präsentierte Porsche auf dem Genfer Automobilsalon einen Prototypen des Porsche 964 Turbo S Leichtbau.
Schon rein äußerlich gab es große Unterschiede vom Porsche 964 Turbo S Leichtbau zu seinen Geschwistern. Statt Nebelscheinwerfern vorn gab es Lufteinlässe zur Bremskühlung. Auch in den weit ausgestellten hinteren Kotflügeln integrierte Porsche Lufteinlässe. Dieses Stilmittel wurde später auch zum Erkennungszeichen aller wassergekühlten Porsche 911 Turbomodelle. Kombiniert mit einem flacheren Heckspoiler und dem Heckblech des Porsche 964 Carrera RS zog er unweigerlich die Blicke auf sich. Auch bei den Felgen setzte er ein Statement. Die dreiteiligen Speedline Felgen in 18 Zoll Format sind ein wahrer Augenschmaus.
Die inneren Werte des Porsche 964 Turbo S Leichtbau hatten es ebenfalls in sich. Sprengers Leute unterzogen den Turbo 3.3 einer drastischen Diät. Durch Haube und Türen aus GFK, Dünnglasscheiben hinten und seitlich, Verzicht auf Dämmung sowie das Entfernen der Klimaanlage und Servolenkung wurden 180 Kilogramm eingespart. Ergänzend zur Gewichtskur wurde auch am Motor Hand angelegt. 61 zusätzliche Pferde entlockten die Techniker dem 3,3 Liter Turboaggregat. Möglich wurde das unter anderem durch geänderte Nockenwellen, 0,1 bar mehr Ladedruck sowie eine optimierte Zünd- und Einspritzanlage. Somit standen am Ende 1.290 Kilogramm und 381 PS für den wildesten aller Turbos zu Buche.
In einer Hausmitteilung Sprengers vom 17.01.1992 hieß es noch: „Ein Stückzahl-Limit der Kleinserie soll zunächst nicht festgelegt werden. Es wird davon ausgegangen, daß Stückzahlen zwischen 20 bis 50 Fahrzeugen erreicht werden.“ Als Vorauszahlung bei Vertragsabschluss schlug Sprenger 30.000 DM, bei einem Verkaufspreis von unter 300.000 DM vor.
Entscheidend für einen erfolgreichen Verkauf dieser Fahrzeuge ist die besondere technische Ausstattung im Hinblick auf Drehmoment und Leistung des Motors, Fahrverhalten und optisches Aussehen.
Rolf Sprenger in seiner Hausmitteilung zur Baubeschreibung und technischen Ausstattung des Porsche 964 Turbo S Leichtbau
In einer weiteren internen Mitteilung vom 22.05.1992 wurde Sprenger bereits deutlich konkreter. Das Auto hatte hier schon den späteren Namen des Serienfahrzeugs – Porsche 964 Turbo S Leichtbau. Darin gab er eine finale Stückzahl von 80 für die Kleinserie an. Das ursprüngliche Ziel von 20 bis 50 produzierten Turbo S Leichtbau erwies sich also schnell als zu konservativ. Insgesamt wurden es am Ende sogar 86 Fahrzeuge.
„Die Fahrzeuge sollen zwischen KW 24 und KW 39 gebaut werden. […] Der Bau der Fahrzeuge ist von der Terminachse überaus kritisch. Ich bitte alle beteiligten Stellen, in sehr flexibler und inkonventioneller Weise mitzuhelfen“, so Sprenger in diesem Memo. Als Kaufpreis standen unter dem Strich 295.000 DM. Inflationsbereinigt wären das heute über 250.000 Euro. Dafür erhielten die Kunden einen 290 km/h schnellen Turboelfer, der in 4,7 Sekunden die 100 km/h aus dem Stand erreichte.
Durch die strenge Diät ist das Fahrerlebnis deutlich puristischer als bei seinen Artverwandten 964 Turbo 3.3 und Turbo 3.6. Wir reden hier von einem heckgetriebenen Porsche 911 Turbo, der 45 Kilogramm weniger wiegt als ein 930 Turbo 3.3. Verglichen mit dem 993 Turbo sind es sogar 210 Kilogramm! Seine Leistungswerte sind selbst heutzutage nicht von schlechten Eltern. Das macht ihn als geniale Fahrmaschine genauso interessant wie wertstabil.
2021 lagen die Preise noch knapp unterhalb einer Million Euro/USD. Wenn heute ein Porsche 964 Turbo S an den Markt kommt, dann zu siebenstelligen Preisen. Bei RM Sotheby’s ging im Januar und im März 2022 je einer über den Tisch – für 1,3 bzw. 1,1 Millionen USD. Das entspricht einer Rendite von knapp 300 Prozent in drei Jahrzehnten. Gar nicht schlecht für ein Fahrzeug mit diesen Qualitäten!
© Titelbild: Mark Riccioni
Elferspot Magazin