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Der Porsche 964 Carrera RS – Rennsport für die Straße

19.12.2019 Von Richard Lindhorst
Der Porsche 964 Carrera RS – Rennsport für die Straße

RS steht bei Porsche für Rennsport. Doch der Porsche 964 Carrera RS wirkt auf dem Papier kaum spektakulärer als ein normaler Carrera. Mit einer Beschleunigung von 5,3 Sekunden aus Stand auf Tempo 100 ist der RS 0,4 Sekunden schneller, auch die Höchstgeschwindigkeit liegt fast gleichauf mit dem 964 Carrera. Was also macht dieses Modell neben seiner geringen Stückzahl von nicht mal 2.300 gebauten Exemplaren so besonders?

Seinen Ursprung hat der Porsche 911 Carrera RS im Jahre 1972

Wir gehen zunächst auf eine kleine Zeitreise ins Jahr 1972 – Beflügelt vom Erfolg in Le Mans auf dem Porsche 917 wollten die Zuffenhausener ihr Rennprogramm weiter ausbauen. Dazu wurde auf Basis des Porsche 911 ein Homologationsmodell entwickelt – der Porsche 911 Carrera RS 2.7. Der 210 PS starke, sehr drehfreudige Sechszylinder Boxermotor sollte mit dem Leergewicht von nur 1.075 kg in der Touring-Spezifikation und gar nur 975 kg als Sportmodell wortwörtlich leichtes Spiel haben. Das Fliegengewicht ging in 5,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h! 1972 in Paris vorgestellt, wurde der Carrera RS nur bis 1973 gebaut.

© Arthur Bechtel Classic Motors

Für damalige Verhältnisse bot der Porsche 911 Carrera RS 2.7 einige technologische Leckerbissen: zum Beispiel einen Motordeckel aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Wie auch die aktuellen RS Modelle zierte die Fronthaube kein Emblem, sondern ein Aufkleber des Porsche Wappens. Besonders markant: die verbreiterten hinteren Kotflügel und der klassische Entenbürzel. Ursprünglich waren 500 Modelle geplant. Niemand hatte erwartet, dass der RS zum Kassenschlager wird. Doch er wurde es und Porsche „musste“ über dreimal so viele Carrera RS 2.7 bauen, wie ursprünglich gedacht. Grund dafür war besonders das geringe Gewicht, das ursprüngliche und kaum gedämmte Fahrerlebnis sowie ein fantastisch ansprechender Motor. Eine Legende war geboren.

Der nächste Porsche 911 Carrera RS folgt erst 1991 mit dem 964

Sieht man vom ultraseltenen Carrera RS 3.0 ab, dauerte es fast 20 Jahre, bis Porsche wieder einen Carrera RS auf den Markt brachte. Dessen Wurzeln lagen erneut im Rennsport. Zur Saison 1990 wurde der Porsche 944 Turbo Cup eingestampft und der Porsche Carrera Cup geboren. Auf Basis des 1988 vorgestellten Porsche 911 vom Typ 964 entstand das neue Cup Auto: Heckantrieb, 3,6 Liter Motor mit 265 PS, 1.125 kg, ABS. Der Cup kam gut an und die Kundschaft wollte das Erlebnis Cup Porsche nun auch auf der Straße auskosten können.

So ließen die Zuffenhausener die beiden legendären Buchstaben wieder aufleben und brachten 1991 den neuen Porsche 964 Carrera RS mit zum Genfer Autosalon. Auf den ersten Blick war er mit Ausnahme der Magnesiumfelgen sehr unauffällig: schmale Karosse und kein Heckflügel. Unter dem Blechkleid tat sich allerdings einiges. Im Innenraum gab es Schalensitze und Türschlaufen statt -griffen, Rücksitzbank, Airbag, Klimaanlage und sogar ein Radio suchte man vergeblich. Auch die Servounterstützung der Lenkung fiel der Gewichtsersparnis zum Opfer.

© P One Cars Europe

Die besondere Dynamik des 964 Carrera RS erkaufte Porsche nicht durch komplizierte Fahrwerkstricks oder extreme Motorleistung. Oberste Maxime war, ganz konventionell, die Gewichtsreduktion. Dadurch kreierten die Zuffenhausener ein Fahrerlebnis, dessen Faszination sich heute fast noch besser nachvollziehen lässt als 1991. Ein solches Auto kann man neu weder für Geld noch gute Worte bekommen.

Porsche nahm das Thema Leichtbau beim RS in gewohnter Manier sehr ernst. Selbst der Antriebsstrang wurde von einigem Ballast befreit. Insgesamt sieben Kilogramm Schwungmasse wurden eingespart, was dem Motor ein deutliches Plus an Drehfreude verleiht. Das G50/10 Getriebe erhielt eine engere Abstufung der oberen Fahrstufen, um dem Fahrzeug noch mehr Spurtfähigkeiten zu geben. Leichte Anpassungen an der Motronic entlockten dem 3,6 Liter Boxermotor zehn zusätzliche Pferdestärken, machten allerdings den Einsatz von 98 Oktan Kraftstoff notwendig. Auch die Bremsanlage wurde verändert: an der Vorderachse kam die Turbobremse zum Einsatz, hinten die vom Cup Porsche.

Boxer Motor & klassische Automobile

© Boxer Motor & klassische Automobile GmbH

© Ande Votteler

In Kombination mit dem sehr harten Fahrwerk ist der Carrera RS nicht unbedingt ein GT, sondern vielmehr eine Fahrmaschine für besondere Anlässe. Durch die auf ein Mindestmaß reduzierte Dämmung gelangt das heisere Fauchen des luftgekühlten Sechszylinders fast ungefiltert in den Innenraum. Der Grip war für damalige Verhältnisse immens und beeindruckt auch heute noch. Insbesondere mit modernen Reifen ist der Porsche 964 Carrera RS nach wie vor ein irre guter Kurvenräuber. Kein Wunder, bringt er mit 1.220 kg doch 130 kg weniger auf der Waage als der 964 Carrera 2.

Eine Sonderstellung nehmen der Porsche 964 Carrera RS N/GT und der RS America ein

Wem der Carrera RS noch nicht kompromisslos genug war, der konnte den Porsche 964 Carrera RS N/GT ordern. Es handelte sich dabei um ein Homologationsmodell für die Gruppe N bzw. den GT Einsatz. Zu erkennen sind originale N/GT-Modelle am Ausstattungscode M003. Bedeutet im Klartext: Kompletter Verzicht auf Dämmung, Teppiche und Dachhimmel, ab Werk mit eingeschweißtem Überrollkäfig. Außerdem stattete Porsche den 964 Carrera RS N/GT mit einer Feuerlöschanlage, Schroth-Gurten, Not-Aus-Schalter und einem größeren Benzintank aus. Statt Fußmatten gab es Sperrholz Fußablagen. 290 Bestellungen entfielen auf dieses extremste aller RS Modelle. Die Motorleistung blieb mit 260 PS unverändert, das Gewicht sank nochmals um 70 kg auf 1.150 kg.

© Sports Purpose

Nachdem US-amerikanische Kunden 1991/1992 noch in die Röhre schauen mussten, brachte Porsche 1993 den 964 Carrera RS America an den Start. Da der Carrera RS wegen der strengeren Gesetzeslage nicht in die USA ausgeliefert werden konnte, mussten die Zuffenhausener improvisieren – schließlich wollten auch die amerikanischen Kunden in den Genuss des kompromisslosesten Elfers kommen. Der RS America basierte auf dem 964 Carrera 2 und erhielt ein geändertes Fahrwerk und einen starren Heckflügel. Im Innenraum wich die Rückbank, vorn gab es die Carrera RS Türtafeln und Stoff-Sportsitze. Der Motor wurde ohne Änderungen vom Carrera 2 übernommen. Von diesem Sondermodell baute Porsche insgesamt 701 Exemplare.

Fast 2.300 Käufer erfreuten sich am „urwüchsigen Vergnügen“ des 964 Carrera RS

Der 964 RS ist ein Elfer, der sich sicherlich nicht jedem sofort erschließt. Wer dieses Fahrzeug beispielsweise mit einem 911 Turbo oder einem 993 Carrera vergleicht, tut dem 964 Carrera RS unrecht! Es geht bei dem Modell nicht um schiere Leistungsdaten oder Rundenzeiten. Natürlich ist er ein fantastisches Auto für gelegentliche Trackdays, aber jeder moderne Hot Hatch würde ihm gefährlich werden. Nein, es geht um das Erlebnis, die Art und Weise der Leistungsentfaltung und natürlich den Charakter: Leicht, ursprünglich, ungefiltert und mit Ausnahme von ABS auch ohne Fahrhilfen. Allein die Möglichkeit, die Gänge weit auszudrehen, ohne sofort den Führerschein in Gefahr zu bringen, offeriert Fahrfreude in ihrer reinsten Form.

© 11er Ecke

Dass ein solches Fahrzeug immer ein Nischenprodukt bleiben würde, liegt auf der Hand. Trotzdem gingen fast 2.300 Exemplare über die Theke. Oft in schrillen Farben wie Maritimblau, Sternrubin oder Mintgrün, doch auch Grandprixweiß ist häufiger zu finden. Natürlich ist ein Porsche 964 Carrera RS kein Brot und Butter Auto – die ersten Modelle starten bei etwa 150.000 Euro. Damit liegt sein Wert etwa doppelt so hoch wie noch bei Markteinführung. Der lag seinerzeit bei 145.500DM. In Zeiten vieler Diskussionen um die Klimapolitik und das oft prophezeihte Ende der Verbrennungsmotoren bietet der 964 RS eine tolle Möglichkeit, diesen unsäglichen und selten zielführenden Debatten zu entfliehen und einen Porsche genießen, der schon bei der Konzeption eben nicht als reines Fortbewegungsmittel gedacht war. Einen Porsche 911 Carrera RS, der dieses legendäre Kürzel völlig zurecht im Namen trägt.

© Titelbild: Elferspot für  Ande Votteler

Alle auf Elferspot angebotenen Porsche 964 Carrera RS findet ihr hier:

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