Porsche geht 2023 wieder in der höchsten Klasse der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC an den Start. Mit dem Porsche 963 LMDh stellten die Zuffenhausener kürzlich ihr erstes Rennauto für die neue Spitzenklasse der Prototypen vor. Nachdem Porsche sich Ende 2017 aus der höchsten Sportwagenklasse zurückzog, greifen die Zuffenhausener mit dem 963 LMDh abermals nach der Krone im Langstreckensport. Sein Debüt feiert der neue Prototyp bei den 24h von Daytona am 28. Januar.
Der neue Porsche 963 LMDh tritt zweifelsfrei in große Fußstapfen. Schließlich gewann sein LMP1-Vorläufer, der Porsche 919, dreimal in Folge die 24 Stunden von Le Mans (2015, 2016 & 2017). Siege sind auch das klar ausgegebene Ziel für den Neuen. Doch Motorsportchef Thomas Laudenbach möchte nicht nur Porsches 20. Gesamtsieg in Le Mans. Er hat auch den Titel in der Langstreckenweltmeisterschaft WEC und der nordamerikanischen IMSA-Serie als Ziel auserkoren.
Porsche 963 LMDh – Ikone von Morgen
Porsche selbst betitelt den 963 schon als „Ikone von Morgen“. Reichlich Vorschusslorbeeren für ein Auto, das sich erst noch auf den Strecken der Welt beweisen muss. Zumal das Auto – reglementbedingt – zu großen Teilen gar nicht von Porsche entwickelt wurde.
Antriebsseitig kommt ein alter Bekannter zum Einsatz. Der 4,6 Liter Biturbo-V8-Motor im Porsche 963 LMDh ist nämlich die Weiterentwicklung eines Motors, der sowohl im Renneinsatz, als auch in der Serie schon seine Sporen verdienen konnte. Anders als noch beim verworfenen Le Mans Projekt 9R3 und der folgenden Entstehungsgeschichte des Carrera GT geht Porsche heute wesentlich offener mit der Herkunft seines neuen Le Mans Renners um.
Motorsportchef Thomas Laudenbach kommuniziert klar die Verwandtschaft zum Porsche RS Spyder. Ab 2005 setzte Porsche diesen offenen Prototypen der LMP2-Klasse in der American Le Mans Series mit großem Erfolg ein. Das Penske Team – auch heute Partner im LMDh-Prgramm – feierte 2006, 2007 und 2008 den Titel in dieser Rennklasse.
Auf Grundlage dessen V8-Motors mit 3,4 Litern Hubraum entwickelte Porsche später den Antrieb für den 918 Spyder. Im 2013 bis 2015 gebauten, dritten Supersportwagen der Marke kam außerdem ein unterstützendes Hybridsystem zum Einsatz. Stolze 887 PS Spitzenleistung machten den 918 Spyder damit zu einem der schnellsten Sportwagen überhaupt. Anders als der 963 LMDh musste der 918 Spyder keinem Reglement entsprechen. Deshalb kommt der Prototyp nicht an die Leistungswerte des 918 Spyders heran, trotz Biturbo-Aufladung. Mehr als seine 680 PS sind schlicht nicht erlaubt.
Das zur Saison 2022 völlig umgekrempelte Reglement der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC zielte vor allem auf Kostenreduktion. So sollten nach dem Ausstieg von Audi und Porsche 2016/2017 wieder mehr Hersteller in die Klasse gelockt werden. Auf die bisherigen LMP1-Prototypen folgten daher die LMh/LMDh – Le Mans (Daytona) hybrid. Unter diesem Label können künftig Le Mans und Daytona Prototypen in der gleichen Klasse fahren.
Der Unterschied zwischen LMH und LMDh ist dabei, dass in der LMH Klasse jeder Hersteller sein eigenes Chassis einsetzen kann. In der günstigeren LMDh-Klasse müssen die Hersteller auf ein LMP2-Chassis von Dallara, Oreca, Ligier oder – wie Porsche – Multimatic zurückgreifen. Hybridsystem und Getriebe sind Einheitsteile. Den Herstellern bleibt somit nur die freie Wahl des Motorkonzeptes und der Silhouette, also der Aerodynamik.
Neben Porsche setzen auch BMW, Cadillac und Acura auf ein Auto nach LMDh-Reglement. Mit diesen wird sicher der Porsche 963 LMDh bei den bevorstehenden 24h von Daytona messen müssen. Für 2024 haben sich außerdem Alpine und Lamborghini mit einem LMDh-Prototypen angekündigt. Doch auch die Konkurrenz aus der LMH-Klasse ist namhaft. Ferrari, Toyota, Glickenhaus, Isotta Fraschini, Peugeot und Vanwall werden in Le Mans das größte Prototypen-Feld seit der Gruppe C komplettieren.
Für Chancengleichheit sorgt eine sogenannte Balance of Performance (BoP). Ein Novum bei den Prototypen im Langstreckensport. Sie bietet den Regelhütern die Möglichkeit mit Gewichts- oder Leistungsanpassungen an den Fahrzeugen das Feld möglichst eng zusammenzubringen. Das System ist aus der GT3-Rennklasse bewährt und verspricht sehr enges Racing.
Das 4,6 Liter Aggregat im Porsche 963 LMDh basiert zwar auf dem Motor des 918 Spyder, ist jedoch für den Renneinsatz erheblich angepasst worden. Anders als im Serienauto setzt Porsche hier auf ein Biturbo-System: „Denn beim Ladedruck variieren zu können, gibt uns Flexibilität, wenn wir auf BoP-Anpassungen reagieren müssen“, skizzierte Motorsportchef Laudenbach kürzlich eines der Motive. Außerdem ist der Motor in der Lage, mit synthetisch hergestellten Kraftstoffen betrieben zu werden.
„[…]beim Ladedruck variieren zu können, gibt uns Flexibilität, wenn wir auf BoP-Anpassungen reagieren müssen.“
Porsche Motorsportchef Thomas Laudenbach über eines der Hauptmotive für die Wahl des 4,6 Liter V8 Biturbo im 963 LMDh
Mit einer Dominanz Porsches wie in der Gruppe C in den 1980ern ist angesichts der Regulierungsmöglichkeiten durch die Rennleitung sicherlich nicht zu rechnen. Die Entwicklungsrichtung war ohnehin von vornherein vorgegeben. „Wir brauchen kein ‚spitzes‘ Auto, es muss konstant schnell sein. Denn damit gewinnt man in Serien mit BoP Rennen und Meisterschaften“, brachte es Laudenbach auf den Punkt. Somit rückten Themen wie Servicefreundlichkeit und Zuverlässigkeit noch weiter in den Fokus.
Wir sind gespannt, wozu Porsche nach fünf Jahren Pause in der Königsklasse der Sportwagen im Stande sein wird. Nach dem ersten Einsatz in Daytona Ende Januar geht es für die Penske Racing Truppe in die heiße Phase. Zwar wird bis zum französischen Langstreckenklassiker am 10. & 11.06.2023 sicherlich noch einiges an der BoP geändert, doch bis dahin müssen alle Kinderkrankheiten aussortiert sein.
Wir empfehlen jedem, sich die Wochenenden rot im Kalender zu markieren, denn das neue Reglement verspricht Spannung wie lange nicht mehr. Besonders wenn 2024 noch weitere Hersteller mit dazu stoßen. So viel Konkurrenz gab es im Prototypensport schließlich seit Jahrzehnten nicht mehr. Wir drücken Porsche Penske Motorsport die Daumen für eine gelungene Premiere in Daytona. (Fahrer Porsche 963 LMDh #6: Nick Tandy, Mathieu Jaminet, Dane Cameron, Porsche 963 LMDh #7: Felipe Nasr, Matt Campbell, Michael Christensen)
© Porsche
Elferspot Magazin