Hach, die 90er Jahre… musikalisch, geopolitisch und wirtschaftlich ein wildes, aufregendes Jahrzehnt. Doch auch für uns Petrolheads sind 90er so etwas wie eine goldene Ära. Autos aus dieser Zeit bieten analoges Fahrvergnügen mit wenig Gewicht und noch heute zeitgemäßen Fahrleistungen. Eine Speerspitze aus dieser Zeit ist der Porsche 964 Turbo. Turbomotor, Heckantrieb, keine Traktionskontrolle – da bedarf es kundiger Hand. Was die zweite Generation Porsche 911 Turbo so besonders macht und worauf ihr beim Kauf achten solltet, erfahrt ihr in dieser Elferspot Porsche 964 Turbo Kaufberatung!
Seit der Markteinführung des Porsche 930 gilt der 911 Turbo als größte Attraktion unter den Elfern. Nach einem Jahr Produktionspause wurde zum Modelljahr 1991 mit dem 320 PS starken 964 Turbo 3.3 der zweite Turbo eingeführt. Zwei Jahre später gab es den neuen 3.6 Liter Turbomotor mit 360 PS. In der illustren Runde der zwangsbeatmeten Stuttgarter Spitzenmodelle genießt der 964 noch heute einen exzellenten Ruf. Er gilt als mechanisch robust und herausragend verarbeitet. Auch optisch weiß er zu gefallen und zitiert gekonnt die Urform des F-Modells. Dass unter dem Blech über 80 Prozent neuentwickelte Teile schlummern, sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an. Aber allein das neue Fahrwerk mit McPherson Federbeinen galt damals als Revolution. Die Kombination von Cup-Felgen und weit ausgestellten Radhäusern lässt die bereits sehr attraktive Linie des 964 außerdem noch aufregender und charismatischer erscheinen.
Stellt sich also zuerst die Frage nach der Motorisierung. Wenn Geld keine Rolle spielt, sollte man natürlich zum 911 Turbo 3.6 greifen. Zum Modelljahr 1993 wurde das neue Triebwerk auf Basis des M64 mit 3,6 Liter Hubraum eingeführt. Mit 360PS und deutlicher früher anliegendem Drehmoment ist er selbst im unteren Drehzahlbereich deutlich lebhafter als sein Vorgänger. Der 64er bleibt damit unter fünf Sekunden im Sprint von 0-100 km/h – in 4,8 Sekunden treiben die 3,6 Liter Modelle auf Landstraßentempo. Zwei Gründe sorgen jedoch für a) ein sehr kleines Angebot und b) sehr hohe Preise: Durch seine Hauptrolle im Film Bad Boys erlangte gerade der Turbo 3.6 sehr große mediale Aufmerksamkeit und landete als Poster an unzähligen Kinderzimmerwänden. Außerdem gibt es schlichtweg nur noch wenig Exemplare. Nach knapp über 1.400 produzierten Wegen war Schluss.
Aber auch der in den Modelljahren 1991 und 1992 gebaute 964 Turbo 3.3 ist eine klare Empfehlung. Die Grundkonstruktion des M30 Turbomotors hatte zwar anderthalb Jahrzehnte auf dem Buckel, muss sich jedoch bis heute nicht verstecken. Der betagte 3,3 Liter Motor erreichte immerhin 320 PS und katapultiert die 1.470 Kilo in exakt 5 Sekunden auf Landstraßentempo. Bis 3000 Touren passiert zwar erst einmal nicht viel, wenn dann aber der Dampfhammer einsetzt, gibt es keine offenen Fragen mehr. Klar, der 3.6 ist souveräner, aber der rasante Anstieg auf dem Turboloch (oder auch Tal der Tränen) hat auch seine Reize. Eine Sonderstellung fällt dem Porsche 964 Turbo 3.3 WLS (Werksleistungssteigerung) zu. So werden Modelle mit der Sonderausstattung X33 genannt. Nur 192 Kunden wählten das Werkstuning auf 355 PS. Die Fahrleistungen lagen bei noch explosiverer Leistungsentfaltung auf dem Niveau des späteren 3,6 Liter Modells. Trinkfeste Gesellen sind übrigens alle Porsche 964 Turbo, auch wenn das sicher eine untergeordnete Rolle spielen dürfte. 15 Liter/100 km ist da eher der untere Extremwert.
Sie können länger frühstücken. Sie sind früher zum Abendessen zurück. Gibt es ein besseres Familienauto?
Werbeslogan Porsche 964 Carrera (© Jung von Matt)
Wie bei allen Fahrzeugen minimiert regelmäßige Wartung die Wahrscheinlichkeit teurer Reparaturen. Oft werden bei den regelmäßigen Durchsichten Probleme erkannt, bevor sie bedrohlich werden. Lückenlose Historie ist daher immer ein Plus. Sei es über das Scheckheft, Belege, Carfax oder ähnliches. Während geringfügig verlängerte Intervalle bei entsprechend geringer Laufleistung weniger ein Problem sind, gilt bei Rost Alarmstufe rot! Die gesamte Karosse der dritten Generation 911 ist vollverzinkt. Entdeckt man also Beulenpest, ist das meist auf unsachgemäße Unfallreparaturen zurückzuführen. Bedingt durch die plötzliche Umwandlung von Ladedruck in Vortrieb hat es einige 964 Turbos wie Magneten an Leitplanken gezogen. Lackschichtenmessungen sollten daher vor dem Kauf obligatorisch sein!
Aus dem gleichen Grund sollte man auch zwingend einen prüfenden Blick unter die Teppiche im Kofferraum werfen. Rat vom Profi kann hier durchaus helfen, Unfallschäden zu übersehen. Generell gelten die Hinweise zum 964 Carrera auch beim Turbo. Weitere Hotspots können demnach der Batteriekasten, Schweller und A-Säule sein. Unregelmäßige Spaltmaße sind wie üblich ein Anlass zur genaueren Prüfung. Solltest du Lackstiftausbesserungen finden, ist das nicht negativ zu werten. Denn ein Steinschlag bedeutet, dass auch die Verzinkung angegriffen werden könnte. Daher ist der sogenannte Touch-Up allemal besser, als exponiertes Blech. Die Unterbodenkontrolle ist durch die vollflächige Verkleidung desselben nicht ganz einfach. Sollten hier Teile fehlen, wird es in jedem Fall teuer. Schäden an den Bodenwannen sind meist durch heftige Aufsetzer verursacht.
Die Turbotriebwerke gelten bis heute in ihrem Grundaufbau als solideste Elfer-Aggregate. Da ist auch der Porsche 964 Turbo keine Ausnahme. Behutsames Warm- und Kaltfahren ist zwar eminent wichtig für ein langes Turboleben, aber kaum nachzuprüfen. Nachweise über regelmäßige Prüfung des Ventilspiels sind hingegen unabdingbar. Frühe Modelle mit M30-Motor wurden allerdings mit einem etwas problematischen Schwungrad von Freudenberg ausgerüstet. Die dort verwandte Gummifederung ist bekannt für Ausfallerscheinungen um die 70.000 km. Ab 1992 wurden schon LUK Zweimassenschwungräder mit Metallfedern verbaut. Besonders bei frühen 3.3 mit sehr geringer Laufleistung sollte also geprüft werden, ob schon ein Austausch stattgefunden hat.
Im Alter neigen die Ölleitungen beider Aggregate zu Inkontinenz und können sogar platzen. Durch die Position direkt vor dem Hinterrad kann das auch sehr schnell gefährlich werden, nicht nur für den Motor. Ein vorsorglicher Austausch kann also eine lohnenswerte Investition sein. Spätestens bei sichtbarer Undichtigkeit gilt Handlungsbedarf. Im Gegensatz dazu sind die Auspuffanlagen von allerhöchster Güte. Doch nach mittlerweile drei Jahrzehnten können vor allem die Flansche allmählich ausgebrannt sein. Originale Auspuffanlagen bei Porsche kosten komplett mit Kat und Wärmetauscher knapp fünfstellige Beträge. Deshalb sollte man dort ganz genau hinsehen.
Wenig Ärger machen die handgeschalteten Fünfganggetriebe des 964 Turbo. Eine Tiptronic stand damals nicht zur Disposition. Die Basis ist das in zahlreichen Varianten gebaute G50-Getriebe. Es gilt als ausgesprochen standfest, und auch Synchronisationsprobleme sind selten an der Tagesordnung. Selbst wenn sich hier Probleme auftun, ist die Ersatzteilversorgung durchaus gesichert. Eine Getriebeüberholung beim Spezialisten schlägt aber trotzdem satt vierstellig ins Kontor.
Die Bremsanlagen sind wie bei allen Turboelfern erstklassig. Beim Wechsel zum 3,6 Liter Motor wurde die ohnehin schon standfeste Anlage des 3,3 durch die des Turbo S ersetzt. Davon bekam der 3,6 übrigens auch die dreiteiligen 18″ Speedline Felgen. Wird der 964 Turbo artgerecht bewegt, verschleißen Scheiben und Klötze logischerweise auch recht flott. Scheibenbremsen und Stoßdämpfer sind beim 964 Turbo als Originalteile nicht eben billig. Wurden Scheiben und Beläge kürzlich erst gewechselt, ist das ein echtes Plus. Allerdings neigen die Leichtmetall-Bremssättel des Turbo 3,6 zum Festgehen.
Beim Porsche 964 hielten viele elektrische und elektronischen Komfort-Ausstattungen Einzug. Auch wenn die Verarbeitungsqualität der Komponenten und die Zuverlässigkeit der Elektrik insgesamt gut ist, sollten doch alle vorhandenen “Goodies” wie Fensterheber, Klimaanlage, elektrische Sitzverstellung etc. auf Funktion geprüft werden. Ein gelegentlicher Mangel an der Instrumentierung, die mit Durchlichttechnik funktioniert, sind feuchtigkeitsbedingt abblätternde Farbfolien vor den Kontrollleuchten. Einige Fahrzeuge sind davon stark betroffen, andere gar nicht. Ebenfalls mängelanfällig ist das LCD-Display des Bordcomputers im Drehzahlmesser. Es gibt Spezialfirmen, die sich auf die Instandsetzung der Instrumente spezialisiert haben, was letztendlich günstiger ist als der sonst fällige Neukauf des Komplettinstruments.
Der Porsche 964 Turbo ist eine der kostspieligsten Möglichkeiten überhaupt, einen Sportwagen aus Zuffenhausener Produktion fahren zu können.
Die Instandhaltung von Porsche 964 Turbo 3.3 wie auch 3.6 kostet viel Geld. Da diese Modelle jedoch nie wirklich günstig zu kriegen waren, sind die gut erhaltenen Exemplare in der Überzahl. Regelmäßig gewartete Fahrzeuge im sehr guten Pflegezustand mit geringen Laufleistungen sind keine Seltenheit. Wer 1993 das Geld hatte über 200.000 DM für einen neuen 911 Turbo 3.6 auszugeben, konnte und wollte sich meist die Inspektion bei Porsche leisten. Und wer auch schon vor zehn Jahren einen 964 Turbo in der Garage stehen hatte, nutzte ihn in den seltensten Fällen für die tägliche Fahrt zur Arbeit. Dafür war ein 911 Turbo seit jeher fast zu schade.
Wer die sechsstelligen Anschaffungskosten für einen 964 Turbo aufbringen kann, und sich auch nicht an den durchaus spürbaren Unterhaltskosten stört, wird tagtäglich die Freude an einem der schönsten Neunelfer überhaupt haben. Dabei ist er für einen 90er Supersportwagen durchaus komfortabel und gut ausgestattet. Gleichzeitig ist das Fahrerlebnis roh und analog. Es wird immer etwas ganz besonderes sein, einen Porsche 964 Turbo in der Garage oder in der Sammlung zu wissen. Besonders die Porsche 964 Turbo 3.3 WLS und die späteren Turbo S Modelle sind selten und sündhaft teuer. Daher sollte man nicht zu lange zögern, wenn man ein passendes Exemplar gefunden hat, denn es könnte sehr schnell wieder verkauft sein. Und wer hat nicht auch Lust, sich ein bisschen wie Will Smith und Martin Lawrence in Bad Boys zu fühlen?
Elferspot Magazin