Der Porsche 911 Carrera 3.2 offeriert Fahren in schönster Form. Das Cockpit ist eine Augenweide, der Motor ein Ohrenschmaus.
So urteilte 1984 die Auto, Motor, Sport im Test des überarbeiteten 911 G-Modells. Auch heute zählt der 911 Carrera 3.2 zu den besten klassischen Porsches überhaupt. Er ist der letzte Porsche 911 mit der unverkennbaren Form des Ur-Typs und verkörpert somit das Ende einer 26 Jahre andauernden Sportwagenära.
Es begann mit einer neuen Vorschrift aus den USA im Jahre 1972: Alle neu zugelassenen Fahrzeuge mussten nach Ablauf einer Übergangsfrist einen Aufprall mit bis zu 8 km/h ohne zurückbleibende Schäden überstehen. Ein Jahr später präsentierte Porsche den neuen 911 – Das G-Modell. Weil Porsche auf die Beibehaltung der ursprünglichen 911er Form bestand, war die Antwort auf die amerikanische Gesetzgebung, die Stoßfänger mit integrierten Pralldämpfern zu versehen. Durch sie erhielt das G-Modell den Spitznamen „Faltenbalg-Porsche“.
Nach zehn Jahren Produktionszeit sah sich Porsche erneut vor Herausforderungen durch neue Gesetze gestellt. In den Hauptabsatzmärkten USA, Japan und Europa galten ab 1983 deutlich verschärfte Abgasnormen für Neufahrzeuge, weshalb insbesondere die Motorenabteilung in Zuffenhausen unter Zugzwang geriet. Die Porsche-Ingenieure entwickelten daraufhin die letzte Ausbaustufe des G-Modells: den 911 Carrera 3.2. Die Markteinführung des 911 SC-Nachfolgers datiert auf das Jahr 1984. Der Sechszylinder-Boxermotor vom Typ 930/20 verfügte nun über 3.164 cm³ Hubraum und leistete 231 PS bei 5.900 U/min sowie 284 Nm bei 4.800 U/min, mit Ausnahme der Motoren für die Märkte in den USA, Kanada und Japan. Dort mussten Kunden mit dem 930/21 auskommen, der nur 207 PS und 265 Nm leistete. Möglich wurden diese Werte unter anderem durch die 4 mm größeren Zylinderbohrungen gegenüber dem 911 SC, die Kurbelwelle aus dem 3.3 Turbo und die Verdichtung von 10,3 : 1 im 930/20 bzw. 9,5 : 1 im 930/21. Der 3,2 Liter Motor bestand nach Porscheangaben zu 80% aus neu entwickelten Teilen.
Um neben den Fahrleistungen auch die Emissionswerte zu verbessern, war eine neue Motorsteuerung nötig. Die mechanische K-Jetronic wurde durch die neue L-Jetronic mit elektronischer Bosch Motronic (oder auch Digitale Motorelektronik) ersetzt. Es war das erste System, welches sowohl Zündung als auch Einspritzung steuern konnte. Die effizientere Steuerung in Verbindung mit der neuen Schubabschaltung führte zu weniger Schadstoffausstoß und einem merklich reduzierten Spritverbrauch. Außerdem erhielt der 911 Carrera 3.2 hydraulische Steuerkettenspanner und einen verbesserten Ölkühler.
Die besonders restriktiven Gesetze in einigen Märkten machten die Einführung eines Modells mit Katalysator notwendig. Während die europäischen 911 Carrera 3.2 auch ohne Katalysator lieferbar waren, waren die Motoren in den übrigen Märkten ab Werk mit Katalysatoren ausgestattet. Zum Modelljahr 1986 erfuhr der 930/21 Motor eine neuerliche Überarbeitung. Fortan 930/25 genannt, leistete er 217 PS. Die niedrigere Verdichtung von 9,5 : 1 blieb im Vergleich zum 930/21 jedoch konstant. Auch das maximale Drehmoment von 265 Nm blieb gleich. Während in Deutschland durchweg der 930/20 angeboten wurde, erhielten die Eidgenossen ab 1985 den 930/26. Er war bis auf eine Sekundärluftpumpe identisch mit dem 930/20 und bot auch die gleichen Fahrleistungen.
Aus diesem Grund sind die europäischen 911 Carrera 3.2 mit dem hoch verdichteten 930/20 bzw. 26 ohne Kat besonders begehrt. Diese liefern auch aus heutiger Sicht noch sehr sportliche Fahrleistungen. Für den Sprint von 0 auf 100 km/h werden 6,1 Sekunden benötigt, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 245 km/h. Modelle mit dem niedrig verdichteten 930/21 bzw. 930/25 Motor brauchen 0,4 Sekunden länger und kommen nicht über 240 km/h hinaus. Subjektiv fällt insbesondere der Unterschied im Drehmoment sehr deutlich aus.
Ein Punkt, der jedoch besonders für einen späten 911 Carrera 3.2 ab 1987 spricht, ist das Getriebe. Während bis 1986 noch das aus dem 911 SC bekannte 915-Getriebe zum Einsatz kam, wurde ab 1987 das G50 von Getrag verbaut. Das G50 hat eine verbesserte Synchronisation von Borg Warner und den Rückwärtsgang links oben. Beim 915 liegt der Rückwärtsgang rechts unten. Beide verfügten über fünf Fahrstufen, doch dem 915 wird nachgesagt, etwas hakeliger zu sein. Oftmals liegt das jedoch auch an überarbeitungsbedürftigen Schaltgestängen und Lagern. Welche Schaltbox nun wirklich die bessere ist, muss jeder Interessent für sich beurteilen. Fahrzeuge mit G50-Getriebe liegen preislich tendenziell etwas über den 915 Pendants. Sofern die Preisdifferenz für eine Überarbeitung des 915 genutzt wird, hat man mit Sicherheit keinen Nachteil gegenüber einem originalbelassenen G50.
Seit der Markteinführung 1984 war der Carrera 3.2 auch als erster Porsche 911 mit der Sonderausstattung M491 bestellbar. Dahinter verbirgt sich der sogenannte Werksturbolook (WTL), also die Karosserie mit vielen Anleihen des Porsche 911 Turbos vom Typ 930. Neben den verbreiterten Kotflügeln fällt dabei natürlich der markante Heckflügel ins Auge. Doch nicht nur die Optik wurde geschärft, sondern auch die Technik. Das M491-Paket beinhaltete nämlich auch das straffere Fahrwerk, die Felgen und die vorzügliche Bremsanlage vom Turbo. Insbesondere in den ersten beiden Produktionsjahren erfreute sich der 911 Carrera 3.2 mit WTL in den USA sehr großer Beliebtheit. Dort gab es wegen der strengen Abgasnormen von 1980 bis 1985 nämlich keinen Porsche 911 Turbo.
Dank der großen Stückzahlen ist der 911 Carrera 3.2 noch immer bezahlbar.
Insgesamt rollten von 1984 bis 1989 über 76.000 911 Carrera 3.2 vom Band in Zuffenhausen. Knapp die Hälfte davon waren Coupés, den Rest machen fast zu gleichen Teilen Cabrio und Targa unter sich aus. Die große Beliebtheit bei Neuwagenkäufern in den 80ern kann heute als Glück für Interessenten auf dem Gebrauchtmarkt gesehen werden. Trotz des hohen Grades mechanischer Ausgereiftheit und der noch immer standesgemäßen Fahrleistungen, sind die Preise für 911 Carrera 3.2 noch nicht durch die Decke gegangen. Dank der großen Stückzahlen ist der 911 Carrera 3.2 noch immer bezahlbar. Während sich die ersten Carrera 3.2 WTL noch im mittleren fünfstelligen Euro-Bereich finden lassen, muss man für einen vernünftigen 930 Turbo mit geringer Laufleistung und guter Historie im Jahre 2018 fast sechsstellige Beträge hinblättern. Wer auf Turbolook abfährt, aber auf die Mehrleistung und den Nimbus Turbo verzichten kann, bekommt hier sehr viel klassischen Elfer fürs Geld.
Wie bei allen luftgekühlten Porsches gilt es zuallererst die Blechsubstanz zu überprüfen. Deshalb ist ein Check auf der Hebebühne absolut empfehlenswert. Dabei sollten auch die Brems- und Benzinleitungen sowie insbesondere der Bereich um den Tank herum genau auf Korrosion inspiziert werden. Bläuen beim Motorstart weist auf verschlissene Kolbenringe hin, da beim Boxermotor die Kolben waagerecht zum Boden liegen und Öl an defekten Kolbenringen vorbei in den Brennraum geraten kann. Insbesondere beim 915-Getriebe sollte auf die Synchronisation des 2. und 3. Gangs geachtet werden. Lassen sich die Gänge nur schwer ohne knirschen einlegen, ist bald eine kostspielige Überholung der Synchonringe fällig. Wärmetauscher und Endschalldämpfer sollten ebenfalls auf Rost gecheckt werden.
Davon abgesehen gilt die Technik des späten 911 G-Modells als robust und verhältnismäßig leicht beherrschbar. Dennoch sei jedem der sich nicht zu hundert Prozent sicher mit der Technik auskennt, vor dem Kauf ausdrücklich ein Check durch einen Spezialisten empfohlen. Sobald der richtige 911 Carrera 3.2 gefunden ist, steht langjähriger Fahrfreude nichts mehr im Wege. Zwar ist das G-Modell durch die stehenden Pedale, die fehlende Servolenkung und die leicht nach innen geneigte Sitzposition für Neulinge gewöhnungsbedürftig, doch gerade der 3.2 ist längst nicht mehr so anspruchsvoll zu fahren, wie der Urtyp. Er bewahrt viele Eigenheiten der luftgekühlten Elferära, verknüpft sie mit robuster Technik und bietet auch heute noch sportliche Fahrleistungen. Aus unserer Sicht eine sehr interessante Wahl, so ein 911 Carrera 3.2…
Elferspot Magazin