Porsche lädt uns seit einigen Jahren deutlich offensiver in die wunderbare Welt der Individualisierung ein. Paint to Sample und Porsche Exclusive sind in aller Munde. Es scheint, als ob es keine Grenzen für außergewöhnlich wilde Farbkombinationen und Ausstattungsvarianten gibt. Das war längst nicht immer so. Vor allem in den späten 90er und frühen 2000er Jahren schien es, als würden sich Porsche-Käufer nur selten für knallige Farben oder exzentrische Ausstattungen entscheiden. Danny Beekvelt von 9Classics empfing uns in seinem schönen Showroom in der Nähe von Rotterdam. Dort hatten wir die Gelegenheit, einen extrem individuellen Porsche 996 Turbo zu besichtigen. Dieser Wagen zeigt sehr deutlich, welchen Unterschied die Sonderausstattungen und die Farbwahl eines Autos machen können.
Zur Markteinführung war der Porsche 996 Turbo der schnellste je hergestellte 911 mit Straßenzulassung. Seine 420 PS aus dem 3,6 Liter Bi-Turbo Boxermotor beschleunigten ihn in 4,2 Sekunden auf 100 km/h und bis auf 305 km/h Höchstgeschwindigkeit. Das war 1999 ein echtes Statement und ist auch heute noch beeindruckend. Er manifestierte den Ruf des Turbo als eine Art Gentlemen’s Express. Seine mühelose Leistungsentfaltung konnte selbst die wildesten Supersportwagen der Zeit in den Schatten stellen. Doch er behielt sich dabei den typisch diskreten 911-Look.
Sein Auftreten und der Allradantrieb machten den Porsche 996 Turbo zu einem ungemein alltagstauglichen Sportwagen. Die Sache ist jedoch die: Da er oft im Alltag eingesetzt wurde, entschieden sich die meisten Kunden für dezente Farben und Ausstattungsvarianten. Daher ist es immer schwieriger geworden, einen 911 Turbo aus den frühen 2000er Jahren zu finden, der weder silber, noch schwarz oder grau ist. Ganz zu schweigen von einem farbenfrohen Exemplar mit extrovertierten Innenraumdetails. Wer dann noch ein Modell mit extrem seltenen Optionen wie dem werksseitigen Überrollkäfig sucht, steht vor einer fast unlösbaren Aufgabe.
Hier kommt 9Classics ins Spiel. Der niederländische Händler mit Sitz in der Nähe von Rotterdam ist dafür bekannt, regelmäßig besondere Porsche 996 Modelle ausfindig zu machen. Beweisstück A: Dieser unheimlich exklusiv ausgestattete 2000er Porsche 996 Turbo. Nicht nur sein fantastischer Zustand und die sehr niedrige Laufleistung sprechen für ihn. Er bietet auch einige der exklusivsten Sonderausstattungen, die beim ersten wassergekühlten 911 Turbo überhaupt lieferbar waren.
Dieses 2000er Porsche Top-Modell grüßt mit den damals neuen Scheinwerfer, die später auch. den Facelift-996 zierten. Direkt darunter liegen deutlich größere Lufteinlässe als beim Carrera. Im Seitenprofil fallen natürlich die Lufteinlässe im hinteren Kotflügel auf. Sie sind seitdem zum optischen Alleinstellungsmerkmal des Porsche 911 Turbo geworden. Sieht das für Sie wie ein 25 Jahre altes Design aus? Unglaublich, wie gut der 996 Turbo gealtert ist…
Dieser Porsche 996 Turbo verfügt über eine tadellose Lackierung und makellose Felgen. Kein Wunder, denn er ist einer der echten Low-Miler. Er hat nur 45.423 Kilometer auf dem Tacho stehen. Doch nicht nur sein zeitkapselartiger Gesamtzustand spricht für den indischroten Turbo-Elfer. „Dieser Porsche 996 Turbo ist wahrscheinlich ein Unikat“, betont Danny Beekvelt und zeigt auf das Interieur.
Wir hatten im Laufe der Jahre schon einige dieser Porsche 996 Turbo auf Elferspot. Aber ich kann mich nicht an einen vergleichbar ausgestatteten Turbo erinnern.
Richard Lindhorst, Elferspot
Innen die erste Überraschung: Die schwarzen Recaro Clubsport-Sitze (Optionscodes XSE und XSF) würde man eher in einem 996 GT2 erwarten als in einem Turbo. Farblich spiegelt er durch die Sonderausstattungen XSX (rote Sicherheitsgurte) und XME (Mittelkonsole in Wagenfarbe) das Exterieur wider. Die schwarz-roten Kontrasten einfach umwerfend aus! Hinter den Schalensitzen gibt es noch ein paar weitere Optionen, die man selten bei einem 996 Turbo sieht. Hinter Code XSN verbirgt sich der Entfall der Rücksitze und für das komplette Rennsportflair bestellte der Erstbesitzer den werksseitigen Überrollkäfig mit Sechs-Punkt-Gurten (XSL).
Danny Beekvelt hat viel über diesen 996 Turbo recherchiert. „Der Erstbesitzer, ein Mann namens Michael Hagens, war sehr stolz auf sein Auto. Er gab der niederländischen Zeitschrift Porsche Emotions ein Interview. Dort erklärte er, dass der Turbo für ihn Erfüllung eines Jugendtraums war“, berichtet der Verkäufer von 9Classics. Die Lackierung in Indischrot und die roten Akzente im Innenraum sind genau so, wie Michael Hagens sie immer haben wollte. Seines Wissens nach war er Ende 2000 einer von nur zwei indischroten Porsche 996 Turbo in den Niederlanden.
Im gleichen Artikel erzählte Hagens auch eine lustige Geschichte über ein Missgeschick auf der Jungfernfahrt nach Dänemark. Auf der Autobahn hatte er eine Reifenpanne. Mit Hilfe des ADAC installierte er das kleine Notrad. Wie sich herausstellte, passte das Originalrad nicht in den Kofferraum. „Und weil ich einen Überrollkäfig eingebaut hatte, passte es auch nicht hinter die Sitze. Es blieb nichts anderes übrig, als das Rad auf den Beifahrersitz zu verstauen. Meine Freundin musste sich dann hinten sitzen, wo es aber keinen Sitz gab“, erinnert sich der Erstbesitzer.
Dieses 600 Nm starke Drehmoment-Monster hat alle Extras, die man sich im Jahr 2000 nur wünschen konnte. Elektrisches Schiebedach, Edelstahl-Einsteigsleisten, Aluminium-Handbrems- und Schalthebel, Parksensoren und das Porsche Communication Management Navigationssystem machen ihn zu einem sehr kompletten Paket. Obwohl die Entscheidung für ein Schiebedach bei gleichzeitiger Bestellung von Überrollkäfig, Alcantara-Lenkrad und Schalensitzen schon ein wenig seltsam anmutet. Aber mal ehrlich, dieses Auto wurde nicht mit dem Ziel ausgestattet, viel auf der Rennstrecke zu fahren. Michael Hagens fuhr ihn stattdessen im Alltag.
Viele Porsche 996 Turbo mit so geringer Kilometerleistung sind nicht übrig geblieben. Einen in Sammlerzustand zu finden, ist alles andere als einfach. Der hier wäre so ein Fang. Begehrtes Modell mit Schaltgetriebe, tolle Ausstattung, wenig Laufleistung, super Zustand. Die Preise für den Porsche 996 Turbo sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Ein durchschnittliches Coupé mit Schaltgetriebe kostet heute schnell über 70.000 Euro. Dass ein derart toll ausgestattetes Modell mit so wenig Laufleistung mehr kostet, ist kein Wunder. Aber in dieser ausgefallenen Komposition scheint der Preis doch sehr angemessen.
Dieser Porsche 996 Turbo hat die richtige Farbe, eine exklusive Ausstattung, wenig Kilometer und ist in perfektem Zustand. So etwas findet man nicht mehr allzu oft für fünfstellige Preise.
Richard Lindhorst, Elferspot
Die Vergangenheit zeigt, dass die frühen wassergekühlten Porsche 911 Turbos großartige Autos sind. Sie sind alltagstauglich, robust und wertbeständig. Wer diesen Wagen kauft, ihn ein paar Jahre mit Bedacht bewegt und erhält, wird vermutlich eher kein Geld verlieren. Außerdem sind Ersatzteile verhältnismäßig preiswert und die Autos verhältnismäßig leicht zu reparieren. Fahrspaß ohne Reue oder Angst vor extremen Folgekosten ist somit garantiert.
Dank des Allradantriebs, der LSA-Hinterachse und der wunderbaren Lenkung fährt diese Generation 911 Turbo immer noch modern. Mit Tempomat und Klimaautomatik fällt der Turboelfer auch bei der gelegentlichen Fahrt zur Arbeit nicht unangenehm auf. Bei forscher Gangart unterstützt ABS und (abschaltbares) Porsche Stability Management im Ernstfall. Der Porsche 996 Turbo ist somit ein fantastischer Alltagsbegleiter und bietet dennoch den Nervenkitzel eines echten Supersportlers. All das vereint er in einem angenehm kleinen Paket, das trotz Allradantrieb nur nur knapp die 1,5 Tonnen reißt.
Der Porsche 996 Turbo war schon immer ein heimlicher Held. Seine Qualitäten machen ihn wohl zu einem der besten Gesamtpakete der frühen 2000er.
Richard Lindhorst, Elferspot
Elferspot Magazin