Istanbuls prosperierendes Stadtzentrum ist nicht der erste Ort, an dem man eine große Porsche-Szene erwarten würde. Zumal die Türkei aufgrund hoher Einfuhrzölle und happiger Steuern für Autos oberhalb gewisser Hubraumgrenzen kein günstiges Pflaster für Porsche-Fahrer ist. Doch Onur Alpan, besser bekannt unter seinem Instagram-Namen TD3ZERO, gab uns einen Einblick in die Istanbuler Autoszene. Für ihn ist seine kleine, aber sorgfältig kuratierte Porsche-Sammlung nicht nur ein Hobby. Sie ist die Erfüllung eines Traums, den sein Großvater schon früh geweckt hat.
Hallo Richard, danke, dass ich dabei sein darf! Ich bin 44 Jahre alt, habe einen akademischen Hintergrund in Wirtschaftswissenschaften und arbeite als Führungskraft in einem Unternehmen in Istanbul. Meine Persönlichkeit ist vermutlich von Geschäftssinn und Leidenschaft für Autos geprägt. Ich liebe Porsche, bin begeisterter Sammler und reise sehr gern.
Mein Vater und mein Großvater waren große Autofans. Schon vor der Grundschule war ich infiziert. Mein Großvater hatte 1959 einen Mercedes. Als er sein Auto zur regelmäßigen Wartung beim Händler hatte, besuchten zufällig ein paar Mercedes-Vorstände aus Stuttgart das Autohaus in Istanbul. Sie fragten, wem das Auto gehöre, und kamen dann auf meinen Großvater. Sie gratulierten ihm mit einer Urkunde zu seinem 200.000. Kilometer mit dem Auto. Bei mir zu Hause hängt noch immer die Urkunde. Für mich ist sie ein schönes Relikt, dass die Verbundenheit meiner Familie mit dem Automobil zeigt.
Doch das war nicht alles. Zusammen mit der Urkunde kam eine Einladung zur Werksbesichtigung in Stuttgart Untertürkheim, mit Flug und allem drum und dran. Leider hielt ihn die Befürchtung meiner Großmutter, er könnte ein deutsches Mädchen treffen, davon ab. Meiner Oma zuliebe lehnte er diese wertvolle Einladung ab. Stattdessen schickte ihm Mercedes über Jahre hinweg viele Geschenke und Kundenzeitschriften, die er an mich weitergab. Das ist der Grund, warum ich mich schon in jungen Jahren intensiv mit deutschen Autos beschäftigt habe.
Ungefähr zu der Zeit, als ich meinen Abschluss an der Universität machte, verstarb mein Vater auf traurige Weise. Da mein Großvater der andere Mentor in meinem Leben war, bat ich ihn um Rat, bevor ich mein erstes Auto kaufte. Auf der Istanbul Auto Show 2004 verliebte ich mich in das BMW Z4 Coupé. Mein Großvater war ein wenig enttäuscht und wollte nicht, dass ich einen zweisitzigen Sportwagen kaufe. Er bestand auf etwas Vernünftigeres wie eine Limousine. Nach langen Verhandlungen mit ihm einigten wir uns auf einen guten Kompromiss – einen BMW 330ci.
Dennoch war Porsche immer in meinem Herzen. Vor allem durch das PC-Spiel Need for Speed: Porsche Unleashed. Ich liebte dieses Spiel und habe es so oft gespielt. Es zeigt wirklich, wie sich die Kooperation von Autoherstellern und Videospielentwicklern auszahlen kann. Sie beeinflusst gerade Heranwachsende so stark in ihren Entscheidungen. Wenn ich das Computerspiel nicht so oft gespielt hätte, wäre ich vielleicht noch immer begeisterter BMW-Fahrer.
Nach zehn Jahren als BMW-Fahrer erfüllte sich Onur Alpan seinen Traum und kaufte einen 981 Cayman als ersten Porsche. © Doruk Barin
Es war nach zehn Jahren mit dem 330ci als treuem Begleiter Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Und zwar eines mit dem Porsche Wappen auf der Titelseite. Mein erster eigener Porsche wurde ein Porsche 981 Cayman. Mir hatte es das Mittelmotorkonzept einfach angetan. Und das Auto war so ästhetisch, raffiniert und gut gestaltet. Er hatte genau das richtige Maß an Leistung, um sowohl auf Autobahnen als auch im dichten Istanbuler Verkehr Spaß zu machen. Der Sound des Saugmotors aus der Sportabgasanlage, war einfach fantastisch. Und um ehrlich zu sein, war es eines der spaßigsten Autos, die ich je hatte. Ich kaufte ihn brandneu in Achatgrau mit farblich passenden 20-Zoll-Rädern und Alcantara-Innenausstattung. Dieses Auto hat mich zu einem Porsche-Enthusiasten gemacht.
Zwei Jahre später, also 2017, sah ich ein Auto, das mich an einen Besuch der Istanbul Auto Show mit meiner Mutter in den späten 90er Jahren erinnerte. Wir machten dort ein Foto, auf dem sie auf dem Kofferraum eines pastellgelben Porsche 986 Boxster saß. Knapp zwei Jahrzehnte später steht da dieser pastellgelbe 1998er Porsche Boxster mit dunkelblauem Interieur. Das Auto wurde ursprünglich von einem Anwalt bestellt, der für den Fenerbahce Football Club in Istanbul arbeitete. Daher hatte das Auto die charakteristischen Farben von Fener: Gelb und Dunkelblau.
Onurs zweiter Porsche war ein 986 Boxster, der zuvor einem Anwalt des Fußballvereins Fenerbahce Istanbul gehörte. Daher die Farbkombination mit pastellgelber Lackierung und dunkelblauem Interieur. © Doruk Barin
Er hatte 80.000 km auf dem Tacho und war in tadellosem Zustand. Die Konstellation war einfach einmalig. Es war, als wäre es das gleiche Auto auf dem meine Mutter damals für das Foto Platz nahm. Und da ich sowieso gern einen „modernen Klassiker“ kaufen wollte, konnte ich einfach nicht widerstehen. Mit offenem Verdeck den Bosporus entlangzufahren, ist einfach ein unglaubliches Erlebnis. Weißt du, Porsches stehen in der Türkei nicht gerade an jeder Ecke. Manchmal fragten mich die Leute sogar, ob es ein neues Auto sei, weil der Zustand so gut und das Design so zeitlos war.
2018 bin ich auf ein weiteres elegantes und charmantes Auto gestoßen. Ich war auf der Suche nach einem Klassiker und sah bei diesem berühmten Händler um die Ecke einen wunderschönen schiefergrauen 1969er Porsche 912 von 1969. Durch Zufall erfuhr ich, dass eine Freundin von mir den Händler kannte. Ich bat sie, mich mit ihm bekannt zu machen. Es stellte sich heraus, dass dieser wunderschöne 912 mit seiner roten Innenausstattung komplett restauriert war und einem türkischen Sammler gehörte. Ursprünglich war es ein US-Auto. Den musste ich haben!
Ich kaufe keines der Autos als Investment. Für mich geht es darum, jeden Moment hinter dem Lenkrad zu genießen.
Onur Alpan
Oh, ja. Auf jeden Fall! Viele Leute halten dich für einen reichen und großspurigen, unsympathischen Menschen, wenn du in einem modernen Sportwagen herumfährst. Das ändert sich völlig, sobald du in einem Oldtimer sitzt. Man bekommt so viele Daumen nach oben und ehrliche Fragen dazu, wenn man einen Porsche 912 fährt. Oldtimer wecken im Gegensatz zu modernen Autos Bewunderung und Neugierde und schaffen echte Verbindungen.
Du kannst jedes nagelneue Auto kaufen, wenn du genug Geld hast. Aber einen Oldtimer zu besitzen, ist etwas ganz anderes. Du musst viel Zeit aufwenden, um das passende Auto überhaupt zu finden. Du musst den Eigentümer davon überzeugen, es dir überhaupt verkaufen zu wollen. Schließlich geht es ihm vermutlich nicht um’s Geld. Deshalb kann sich der Wert eines Oldtimers nicht allein auf seinen Marktwert stützen. Außerdem musst du das Auto wirklich lieben, um es auskosten zu können. Andernfalls wirst du keine Freude damit haben.
In 2021 I decided to make a considerable change in my collection. I sold the Cayman and the Boxster to get my hands on a 997.2 Turbo. I thought of it as a perfect match with my 912. Both are in grey color with a contrasting interior. The Turbo may not be red on the inside but also a matching color – Terracotta. If both are parked next to each other, it looks like the same car with 40 years between. To me, it somewhat shows the bond between grandfather and grandson. And on top of that, the Turbo – at least to me – is not just any 911. It is the epitome of automotive excellence, representing a lineage steeped in performance and prestige.
I2021 beschloss ich, meine Sammlung nochmal umzukrempeln. Ich verkaufte den Cayman und den Boxster, um mir einen 997.2 Turbo zuzulegen. Ich dachte, er würde perfekt zu meinem 912 passen. Beide sind grau und haben haben eine auffällige Innenausstattung. Der Turbo ist zwar innen nicht rot, aber mit Terracotta recht nah dran. Wenn beide nebeneinander geparkt sind, sieht es aus wie das gleiche Auto mit 40 Jahren Abstand. Für mich zeigt das irgendwie die Verbundenheit zwischen Großvater und Enkel. Und obendrein ist der Turbo – zumindest für mich – nicht irgendein 911er. Er ist der Inbegriff automobiler Exzellenz und steht sinnbildlich für eine Ahnentafel voller Prestige und Kraft.
Ich hatte dann nur noch zwei statt wie bisher drei Autos. Und um ehrlich zu sein, habe ich den Klang des Sechszylinder-Saugmotors vermisst. Deshalb habe ich mir vor kurzem noch eine – in meinen Augen – Stilikone der Porsche Geschichte gekauft. Ich fand einen 2003er Porsche 996 Carrera 4S. Mit 50.000 km war er einer der 996 C4S mit dem geringsten Kilometerstand in der Türkei. Für viele ist er das hässliche Entlein, aber für mich ist er einer der schönsten Porsches, die je produziert wurden. Er ist der einzige optisch herausragende 911er mit seinen anders geformten Scheinwerfern.
Heutzutage sind 993 so wertvoll, weil sie die letzten luftgekühlten 911er sind. Ich bin mir sicher, dass der 996 irgendwann genauso begehrt sein wird. Es ist nun mal der erste wassergekühlte Elfer und damit genauso wichtig für Porsches Geschichte. Für mich persönlich ist er eh nochmal mehr von Bedeutung. Schließlich bin ich diese Autos jahrelang am Computer gefahren. Der 996 hat meinen Autogeschmack stark beeinflusst. Es ist für mich unglaublich. Ich stehe ich hier und habe mir den Traumwagen meiner Kindheit kaufen können.
Heutzutage sind 993 so wertvoll, weil sie die letzten luftgekühlten 911er sind. Ich bin mir sicher, dass der 996 irgendwann genauso begehrt sein wird. Es ist nun mal der erste wassergekühlte Elfer und damit genauso wichtig für Porsches Geschichte.
Onur Alpan
Trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen ist hier mehr los, als man denkt. Der Porsche Club Istanbul hat mehr als 500 Mitglieder und tut viel für eine lebendige Gemeinschaft. Wir treffen uns regelmäßig zum Sonntagsbrunch und unternehmen mit dem Porsche Club sogar Ausflüge in Länder wie Griechenland oder an die französische Riviera. Unser Club ist sehr aktiv und unternimmt viel für seine Mitglieder. Außerdem gibt es viele inoffizielle Clubs. Wir haben zum Beispiel einen WhatsApp-Gruppenchat mit mehr als 130 Gleichgesinnten gegründet. Mit dieser Gruppe organisieren wir auch Road-Trips und Treffen.
Dementsprechend ist auch die Autoszene hier ziemlich freundlich. Ich habe angefangen, meine Autos nur für mich selbst zu fotografieren. Ein paar Freunde haben mich gefragt, warum ich sie nicht auf Instagram zeige. Um ehrlich zu sein, dachte ich, das wäre zu viel Angeberei für mich. Aber sie bestanden darauf, dass ich das ausprobieren sollte. Nachdem ich mich schließlich dazu überreden ließ, lernte ich über die sozialen Medien schnell viele nette Menschen kennen. Dank einiger Verbindungen über Instagram konnte ich sogar die 75-Jahr-Feier von Porsche in Stuttgart im Jahr 2023 besuchen.
Auf meiner Bucket List steht eine ganz bestimmte Reise. Ich habe vor, die Romantische Straße in Deutschland mit meinem 997 Turbo entlangzufahren. Diese 460 km lange Strecke ist eine sehr schöne Straße, die durch mehr als 30 kleine Städte einmal quer durch Bayern führt. Nachdem ich mein Auto nach Triest verschifft habe, möchte ich über Slowenien und Österreich anreisen und dann Deutschland besuchen. Unterwegs möchte ich so viele Fotos wie möglich von meinem Auto machen. Das wird also eine tolle Erinnerung für mich sein. Bei meinen früheren Auslandsreisen habe ich auch schon Roadtrips mit Mietwagen gemacht. Aber eine solche Reise mit dem eigenen Auto zu machen, klingt viel aufregender, oder?
Weißt du, Porsche wird oft als zu konservativ belächelt. Aber warum sollte man ein gutes Designohne Not ändern? Der 911 ist so zeitlos, dass Porsche einfach nicht viel ändern muss. Das ist der Grund, warum meine Wahl auf einen Singer fallen würde, wenn Geld keine Rolle spielen würde. Sie sind die einzige Firma, die das alte Design weiterentwickelt, ohne dass es „nicht original“ aussieht. Ein Singer sieht einfach stimmig aus, nicht verändert. Wenn es um Supersportwagen geht, würde ich mich für einen Carrera GT entscheiden. Das ist ein Auto der modernen Ära, aber immer noch roh und analog. Ich liebe den 918 Spyder für die technologischen Errungenschaften, aber für mich ist er einen Tick zu modern.
Das Vergnügen war ganz meinerseits, danke!
Richard Lindhorst ist Elferspots Chefredakteur und lebt in Norddeutschland. Sein Leben dreht sich nahezu 24/7 um Autos und Motorräder. Du hast einen Tipp für eine Story oder möchtest einfach mit ihm in Kontakt kommen? Du findest ihn auf Instagram unter @rchrdlndhrst.
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