Ja, es passiert immer wieder mal. Aber doch eher selten. Hin und wieder hat man die Gelegenheit, über ein ganz besonderes Fahrzeug zu berichten. Bei uns Enthusiasten löst ja fast jeder Porsche Sportwagen Begeisterung aus, doch manchmal verwandelt sich die grundsätzliche Begeisterung in regelrechte Faszination. Dieser Carrera 3.0 fasziniert. Nicht nur seine Optik ist einzigartig, er hat auch eine spezielle Geschichte zu erzählen. Und das Beste daran: Man kann diesen Traumwagen jetzt sogar erwerben.
Einer von zwei Farbversuchswagen
Dieses etwas holprige Wort beschreibt das erste Kapitel in der besonderen Geschichte dieses Porsches. Der Carrera 3.0 wurde laut Geburtsurkunde im Jahr 1977 (Modelljahr 1976) als werksinternes Fahrzeug (interne Zwecke) ausgeliefert. Einer von insgesamt zwei Farbversuchswagen mit der Sonderfarbe „Perlmutt-Elfenbein“, die bereits damals nicht reproduzierbar war. Es handelte sich um einen Iridion-Lack. Lackversuche mit dieser Art von Lack wurden bald wieder eingestellt, weil sie sehr schnell ausblichen und daher nicht für die Serie brauchbar waren. Danach wurde der Wagen vom Porsche Werk in der Farbe Perlmutt (Code 947) lackiert. Im Zuge einer kompletten Restoration im Jahr 2005 wurde mit viel Aufwand die originale Rezeptur der damaligen Testfarbe ermittelt. Dabei wurde der komplette Wagen nach originalen Farbresten abgesucht. Gefunden hat man sie dann unter den Gummiauflagen der hinteren Stoßstange. Genau diese Farbe wurde dann beim Lackierer nachgemischt.
Dienstwagen für Jochen Mass
Der damalige Formel 1 Rennfahrer Jochen Mass erfuhr durch seine guten Verbindungen zu Porsche von diesem sehr speziellen Farbversuchswagen. Ihm gefiel die Farbe so gut, dass ihm Porsche den Carrera 3.0 als Dienstwagen zur Verfügung stellte. Dass es sich bei diesem Wagen um ein Porsche Sonderfahrzeug handelt, bestätigt auch die Tatsache, dass viele Interieurteile mit der Produktionsnummer versehen sind. Dies erfolgte damals nur bei VIP und Porsche Familien-Fahrzeugen. Jochen Mass nutze den Carrera unter anderem für die Anreise zu diversen Renneinsätzen. So geschah es, dass Mass am Weg zum Formel 1 Grand Prix nach Barcelona auf der Autobahn plötzlich einem LKW ausweichen musste. Dieses Manöver führte glücklicher Weise nur zu einem kleineren Blechschaden, welcher danach im Porsche Werk wieder repariert wurde. Es musste ein vorderer Kotflügel getauscht werden. Im Zuge dessen wurde der Wagen, wie bereits weiter oben erwähnt, mit der damaligen Serienfarbe Perlmutt (Code 947) lackiert.
Jochen Mass – Rennfahrer mit Porsche Vergangenheit
Der Deutsche Jochen Mass (71) ist eine lebende Rennfahrer-Legende. Die Betonung liegt neben Legende auch auf lebend, denn in den siebziger Jahren war die höchste Rennklasse der Welt weit entfernt vom perfekt organisierten Verband, der sie heute ist. Jochen Mass fuhr also in einer für Rennfahrer verdammt gefährlichen Zeit. In einer Zeit, als die Formel 1 jedes Jahr leider mehrere Todesopfer forderte. Er debütierte 1973 und fuhr in dieser Klasse ingesamt 105 Rennen. Jochen Mass konnte dabei einen Sieg erringen, und zwar am 27. April 1975 beim Großen Preis von Spanien auf dem als äußerst gefährlich geltenden Stadtkurs von Montjuïc in Barcelona. In den 1980er Jahren fuhr Mass Sportwagen von Porsche und Sauber-Mercedes. 1985 startete er für das Porsche-Werksteam einen der drei Porsche 959 bei der Rallye Dakar. Ein weitere Karriere Höhepunkt dann im Jahr 1989. Jochen Mass gewann zusammen mit Manuel Reuter und Stanley Dickens auf einem Sauber-Mercedes das legendäre 24-Stunden-Rennen von Le Mans.
Vom Carrera 3.0 Coupé wurden insgesamt nur 2546 Fahrzeuge produziert.
Der Carrera 3.0 – Turbomotor ohne Turbo
Turbomotor ohne Turbo? Klingt komisch, war aber so. In den Jahren 1976 und 1977 wurde den Kunden einer neuer Porsche 911 Carrera angeboten. Jedoch nicht mehr mit dem legendären 2.7 Motor vom Carrera RS, sondern mit dem neu für den 911 Turbo (930) entwickelten 3 Liter Motor, nur eben ohne Turboaufladung. Für die Fachpresse war der neue Carrera damals jedoch nur ein weichgespülter 2.7 RS. Eine Einschätzung, die ihm überhaupt nicht gerecht wurde. Die Leistungsdaten waren zwar annähernd gleich, aber die Art und Weise wie der Carrera 3.0 seine Leistung abrief, war einzigartig. Um den fehlenden Turboschub des 930 auszugleichen, erhöhte Porsche das Verdichtungsverhältnis und gab so dem Drei-Liter-Carrera stolze 200 PS und ein Drehmoment von 255 Nm mit auf den Weg. Aufgrund der strengen Abgasvorschriften in den USA wurde der Carrera 3.0 nur für den europäischen Markt gebaut. Das wirkte sich dementsprechend auf die Produktionszahl aus. Vom Carrera 3.0 Coupé wurden insgesamt nur 2546 Fahrzeuge produziert.
„Carrera – dieser Name erinnert an das längste und härteste Straßenrennen der Welt, bei dem einst Hans Herrmann, Fürst Metternich und José Herrarte auf Porsche Triumphe feierten: Die Carrera Panamericana.“ Mit diesen Worten begann der Text im offiziellen Carrera 3.0 Verkaufsprospekt von damals. Und noch heute verbindet jeder das Wort „Carrera“ mit Porsche.
„Carrera – dieser Name erinnert an das längste und härteste Straßenrennen der Welt, bei dem einst Hans Herrmann, Fürst Metternich und José Herrarte auf Porsche Triumphe feierten: Die Carrera Panamericana.“
RUF Motorumbaukit SCR
Wie Rechnungen und ein Eintrag im Serviceheft belegen, wurde im Jahr 1989 der Motor bei der weltweit renommierten Firma RUF aus Pfaffenhausen komplett neu aufgebaut und bekam mit dem SCR Kit eine Leistungsoptimierung auf 217 PS. Somit ist dieser Carrera einer von 200 je gemachten RUF Werksumbauten. Mit dieser Optimierung wurde die Leistung über das Niveau vom Nachfolger Carrera 3,2 gebracht. Die technischen Daten des Motors gab Ruf auf dem Datenblatt vom 1. Januar 1981 wie folgt an (in Klammern Serienmotor 3.2): Bohrung 98mm (95mm), Hub 70,4mm (74,4mm), Hubraum 3185ccm (3164ccm), Verdichtung 9,8:1 (10,3:1), 160kw/217PS, 280Nm bei 4100. Der Motor-Umbaukit ist wie einige andere Teile heute immer noch erhältlich.
Perlmutt – die begehrteste Farbe der Natur
Schillernd in allen Regenbogenfarben und unglaublich robust: Kleine Meerestiere erzeugen den Rohstoff Perlmutt, der Designer und Technologen gleichermaßen fasziniert. Aufgrund seiner speziellen Oberflächenstruktur, die bei Lichteinfall einen matten, irisierenden Glanz erzeugt, findet es Verwendung bei der Herstellung von Kunstgegenständen wie z. B. Schmuck und Zierknöpfen.
Das Interieur versprüht den Geist der späten Siebziger und begeistert durch Originalität. Alles blieb unangetastet, auch die Fußmatten sind noch wie damals ausgeliefert. Das schwarze Leder glänzt und ist charmant patiniert. So wie es sein soll für einen Wagen mit dieser Geschichte.
Fazit:
Von den 2546 je gebauten Carrera 3.0 Coupés ist dieses wohl das Speziellste. Farbe, Geschichte, Vorbesitzer und die Leistung dieses Traumwagens machen ihn einfach einzigartig. Dieser Carrera ist keine Garagenkönigin. Dieser Elfer gehört auf die Straßen dieser Welt. Eine großartige Gelegenheit, nicht nur für Sammler, sondern für alle Enthusiasten, die dieses besondere Automobil auch wirklich erleben wollen. Der künftige Besitzer kann sich jedenfalls darauf freuen, dass die Perlmutt-Farbe seines Carreras je nach Lichteinfall immer wieder anders erscheint. Eine von vielen Besonderheiten an diesem Traumwagen.
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Danke an Matthias Höinig für die Möglichkeit, in der Werkstatt zu fotografieren.
Bilder Fahrzeug & Text: Markus Klimesch
Bild Jochen Mass: www.jochen-mass.de (Archiv Jochen Mass, Werner Eisele, ELFimages, Porsche AG)
Elferspot Magazin