Ein Porsche 911 Turbo ist für sich genommen schon eine Erscheinung. Besonders die luftgekühlten Modelle haben eine beeindruckende Präsenz. Viele unter uns hatten einen Porsche 930 oder 964 Turbo als Poster an der Wand. Und den 993 Turbo halten nicht wenige für den schönsten, je gebauten Porsche 911. Man stelle sich nur vor, vier dieser Modelle würden an einem Ort versammelt. So könnte man die feinen Unterschiede genauer unter die Lupe nehmen. Wie früher beim Autoquartett könnte man die Trümpfe der einzelnen Modelle ausspielen. Und nun ratet mal, was heute im Elferspot Magazin auf euch wartet. Richtig, ein Quartett aus luftgekühlten Turboelfern!
Viele unter uns hatten einen Porsche 930 oder 964 Turbo als Poster an der Wand.
Dieser Anblick muss erstmal ein wenig sacken. Wir reden hier von jeweils einem Porsche 930 Turbo 3.0, 930 Turbo 3.3, 964 Turbo 3.3 und einem 993 Turbo. Macht zusammen 1.288 PS, verpackt in die wohl prägnanteste Silhouette des Fahrzeugbaus. Das ist der Stoff, aus dem automobile Feuchttraumszenarien bestehen. Alle vier bestechen durch Zustand und Historie wie aus einer Zeitkapsel. Wirken durch ihre gedeckte Farbgebung geradezu unschuldig.
Wir haben heute die Möglichkeit, die Evolution des Porsche 911 Turbo von seinem Ursprung, bis zum Ende der luftgekühlten Ära en Detail zu betrachten. Möglich machte das Jan Jansen – Eigentümer von JANSEN classische Automobile und ausgewiesener Turboexperte. Er hatte sein ganz privates Turboquartett für dieses besondere Fotoshooting zusammengebracht. Neben einem beachtlichen Inventar luftgekühlter Turbos zum Verkauf sammelt er sie auch seit einigen Jahren privat.
Bemerkenswert beim ersten Blick ist die nach heutigen Maßstäben geradezu zierliche Größe. Alle Fahrzeuge eint der Radstand von 2272 mm. Mit Ausnahme 20 mm dickerer Backen gab es über 20 Jahre schlichtweg kein Größenwachstum. Im Gegenteil, der 993 ist sogar 46mm kürzer geraten als der Ur-Turbo.
Der Kenner sieht jedoch sofort, wo die Unterschiede der Generationen liegen. Der 260 PS starke 930 Turbo 3.0 kommt mit Ziehharmonika-Schürze und auffälliger Scheinwerferreinigungsanlage daher. Technisch gesehen, handelt es sich beim Luftleitwerk am Heck um einen Spoiler, keinen Flügel. Neben der Überströmung trägt er beim Porsche 911 zur Kühlung bei. Die Öffnungen sind dabei jedoch dezent und nicht vollflächig.
Anders sieht es da beim Porsche 930 Turbo 3.3 aus. Als erstes Serienfahrzeug der Welt verfügte er über einen Ladeluftkühler. Kühlere Ansaugluft hat eine größere Sauerstoffdichte. Diese ermöglicht mehr Verdichtung und mehr Leistung. Das nun 300 PS starke Triebwerk erhielt einen neugestalteten Deckel mit durchgängigen Kühlrippen für die Ladeluft. Die Abgase strömten fortan, statt durch eins, durch zwei Endrohre. Für eine stimmigere Front sorgten die nun integrierten Waschdüsen.
Deutlicher fallen die Änderungen beim Porsche 964 Turbo aus. 1991 waren die Pralldämpfer und Nebelscheinwerfer in die Schürzen integriert. Die Gummilippe zwischen Frontschürze und -haube war außerdem viel schmaler gezeichnet. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal gelten die windschlüpfriger gestalteten Außenspiegel. Am Heck fällt der Scheibenwischer ins Auge. Er entspringt nicht mehr dem Spoiler, sondern der Heckscheibe selbst. Ebenfalls neu beim 964 Turbo sind die Endschalldämpfer auf beiden Seiten.
In unserem Quartett geht der Preis für die eigenständigste Optik zweifelsfrei an den Porsche 993 Turbo. Die Formensprache wurde deutlich fluider. Fast schon feminin muten die Schwünge im Design an. Front- und Heckstoßstange sind viel mehr in die Silhouette integriert, statt wie vorher ein wenig aufgesetzt. Gleiches gilt für die Scheinwerfer. Sie stehen nicht mehr vollflächig im Wind, sondern verschmelzen mit den flacheren Kotflügeln. Statt wie bisher in die Schürze integriert, fanden die Waschdüsen nun in den tief heruntergezogenen Kotflügeln Platz.
Die Draufsicht eines Porsche 993 Turbo ist einfach betörend schön.
Vorbei waren auch die Zeiten der charakteristischen Stufe zwischen Frontschürze und -haube. Dafür erhielt der 993 Turbo auffällig große, abgerundete Lufteinlässe an der Front. Moderne Türgriffe und ein weicherer Hüftschwung lassen den 993 ungemein geschmeidig daherkommen. Mit dem wunderschön gezeichneten Heckspoiler ergibt das ein fast unschlagbares Gesamtkunstwerk. Die Draufsicht eines Porsche 993 Turbo ist einfach betörend schön. Punkt.
Isoliert betrachtet sind die Änderungen von Modell zu Modell durchweg recht subtil. Vergleicht man jedoch den 930 Turbo mit dem 993 liegen gefühlte Welten dazwischen. Dieses behutsame Tüfteln am Konzept setzte sich auch unter den schönen Blechkleidern fort. Von 260 PS landete Porsche über die verschiedenen Zwischenstufen schließlich bei satten 408 PS im 993 Turbo.
Das Fahrwerk unterzogen die Ingenieure in Zuffenhausen auch stetiger Überarbeitung. Die Verringerung des Fahrgeräuschs vom 930 Turbo 3.0 zum 3.3 wurde damals als Steigerung des Reisekomforts angepriesen. Mit dem 964 feierte man die Abkehr der seit 1948 verwandten Drehstabfederung. MacPherson Federbein vorn, Schraubfedern hinten, Servolenkung und ABS hielten Einzug. Neben schlichtweg mehr Grip und verbessertem Handling wurde der 911 Turbo damit auch zivilisierter. Im 993 Turbo verwandte Porsche sogar Allradantrieb für mehr Fahrstabilität und Traktion.
Das Quartett zeigt exemplarisch, wie man in Zuffenhausen seit mittlerweile 73 Jahren Autos baut. Detailversessen wird das Ausgangskonzept immer weiter verfeinert, statt nach Revolutionen zu gieren. Trotzdem entsprechen die Anpassungen immer dem Zeitgeist. Auch wenn neue Modelle bei Porsche traditionell eher einen schweren Start bei den alteingesessenen Fans haben.
Schon in der luftgekühlten Ära war der Porsche 911 Turbo ein Mythos. Er hievte einen zugänglichen und zuverlässigen Sportwagen in die Liga der Supersportwagen. Mit dem Turbo zeigte Porsche, dass sich Fahrleistungen und Nutzbarkeit nicht gegenseitig ausschließen. Um sie jeden Tag zu fahren, sind sie heute sicherlich zu schade. Doch kapriziös sind in dieser Liga der Supersportwagen eher die Konkurrenten.
„Der Porsche 911 Turbo war für mich immer der Inbegriff von Brutalität und ich empfand ihn als Speerspitze des Fahrzeugbaus. Auf den ersten Blick nüchtern, ist die Technik dahinter so beeindruckend, dass daraus ein beeindruckend emotionales Gesamtkunstwerk entsteht“, so Eigentümer Jan Jansen. Beruflich ist er stets auf der Jagd nach dem Besonderen und das spiegelt sich auch in seinem privaten Lieblingsquartett wieder. Allesamt in beispielgebendem Zustand, mit makelloser Historie.
„Der Porsche 911 Turbo war für mich immer der Inbegriff von Brutalität und ich empfand ihn als Speerspitze des Fahrzeugbaus. Auf den ersten Blick nüchtern, ist die Technik dahinter so beeindruckend, dass daraus ein beeindruckend emotionales Gesamtkunstwerk entsteht“, so Eigentümer Jan Jansen.
Zu versuchen, alle Eindrücke und Eigenheiten entsprechend wiederzugeben, würde den Rahmen an dieser Stelle völlig sprengen. Allerdings darf ein Blick ins Innere hier nicht fehlen. Die Evolution im Interieur verlief ähnlich wie außen – zielgerichtet, ohne Stilbrüche. Während beim Porsche 930 Turbo 3.0 und 3.3 noch ganz klar der 70er Jahre Flair dominiert, wartet der 964 mit Airbaglenkrad und erneuertem Lüftungsbedienteil auf. Mit den silbernen Applikationen und Zifferblättern wirkt der 993 Turbo nochmals aktueller, frischer. Die klare, gerade Linie eint die Armaturentafel aller Modelle.
Auf die Frage nach seinem persönlichen Liebling kann Jan Jansen keine klare Nummer eins benennen. „Sie alle haben ihre eigenen Reize und sind fahrerisch sehr unterschiedlich. Der Witwenmacher Porsche 930 Turbo 3.0 mit seiner sehr spitzen Leistungscharakteristik ist genauso besonders wie der komfortablere 993 Turbo als erster Biturbo-Elfer. Aus Käufersicht am interessantesten dürfte der Porsche 964 Turbo sein. Egal ob 3.3 oder 3.6, die sehr geringen Stückzahlen lassen ihn schon in die Rolle des primus inter pares rutschen.“
Aus Käufersicht am interessantesten dürfte der Porsche 964 Turbo sein. Egal ob 3.3 oder 3.6, die sehr geringen Stückzahlen lassen ihn schon in die Rolle des primus inter pares rutschen.
Jan Jansen, JANSEN classische Automobile
Eines ist sicher: Luftgekühlte Porsche 911 Turbo findet man nicht an jeder Ecke. Schon gar nicht als Quartett. Ob diese Fahrzeuge als Investition taugen? Bestimmt. Aber die größte Rendite erzielen sie sicherlich nicht monetär, sondern emotional beim Fahrer. Jan Jansen weiß darum und genießt seine 911 Turbos gern auf Alpentouren. Gut so, finden wir. Zwar geht es bei diesen Fahrzeugen um große Summen, doch zu einem gewissen Grad sind sie eben unvernünftige Freudenspender auf vier Rädern. Und auch an den Anblick dieses Turboquartetts könnten wir uns sehr wohl gewöhnen.
© Fotos: Steffen Miethke und Simon Griebel
Elferspot Magazin