2024 feiert Porsche das 50-jährige Jubiläum des 911 Turbo. Mit ihm begann 1974 in Form des 930 Turbo der einzigartige Siegeszug des Spitzenmodells aus Zuffenhausen. Seitdem ist er der Inbegriff des täglich nutzbaren Supersportwagen. Doch bereits ein Jahr zuvor stand auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt ein Prototyp. Das Auto galt lange Zeit als verschollen, tauchte nun aber in Österreich wieder auf. Andreas Jung von Oldtimer Jung aus Friesach restaurierte den Wagen und erzählte uns, welche Reise der Porsche 930 Turbo Prototyp hinter sich hat.
Bei der angesprochenen Präsentation auf der IAA 1973 stand dieser Wagen auf einem Drehteller. Auf dem Kennzeichen war schlicht „911 TURBO“ zu lesen. Die silberfarbene Karosserie des Prototyps war dabei deutlich breiter als das auslaufende 911 F-Modell. Außerdem erhielt er den ersten großen Heckspoiler mit Gummilippe, der heute gern als „Whaletail“ bezeichnet wird. Der weiße Zierstreifen auf der Fahrzeugseite wurde nach hinten immer breiter und mündete in einem Turbo-Schriftzug.
„Ursprünglich war der Prototyp ein Porsche 911 S Ölklappe, Jahrgang 1972, also ein F-Modell“, erklärt Andreas Jung. Deshalb sind viele Details noch komplett anders als im späteren G-Modell. So sind beispielsweise noch keine Faltenbälge in den Schürzen. „Das Chassis war viel näher am 911 RSR der frühen 70er Jahre als am späteren 930 Turbo. Das sieht der Kenner an den Schweißnähten im Kofferraum deutlich“ ergänzt der Oldtimer-Profi.
Der größte Unterschied zum späteren Serienmodell des Porsche 911 Turbo lag allerdings unter dem Heckdeckel. Im Motorraum war nämlich gar kein Turbolader zu finden! Stattdessen handelte es sich um den Original-Saugmotor des 911 S, ergänzt um Attrappen aus Holz, die so lackiert wurden, dass es nach Metall aussah. Es war ein sogenannter Dekorationsmotor, denn Porsche war nicht pünktlich zur IAA mit der Entwicklung des Antriebs fertig geworden. Erst im Frühjahr 1974 war der Turbomotor fertiggestellt.
Wer genau hinsah, dem fiel bereits am Messestand auf, dass das Auto asymmetrisch war. Denn der Porsche 930 Turbo Prototyp wurde mit gänzlich unterschiedlichen Radien und Abmessungen auf beiden Seiten gebaut. Die 911 RSR-Frontschürze wurde dazu ebenfalls angepasst. Sie ist genauso wenig symmetrisch, wie die Silhouette. Porsches Designer experimentierten damals häufig mit diesem Trick. So brauchte man nur von einer Seite auf die andere gehen, um sich ein Bild vom Auto zu machen, statt zwei Autos zu bauen.
Der Porsche 911 Turbo Prototyp vereinte mehrere Prototypen in einem. Beide Seiten waren unterschiedlich geformt.
Das galt übrigens auch für den Innenraum. Als erster Versuchsträger erhielt der 930 Prototyp den heute als Tartan bekannten Schottenkaro-Bezugsstoff in blau/grün und wurde damit gewissermaßen Trendsetter. Zudem war der 911 Turbo Prototyp das erste Porsche Modell mit den charismatischen Lollipop-Sitzen.
Etwa anderthalb Jahre lang nutzte Porsche den 930 Prototyp für Messen und Werbemaßnahmen in aller Welt. Danach ging das Auto zurück nach Zuffenhausen, wo der australische Rallyfahrer Alan Hamilton auf den Wagen aufmerksam wurde. Dort ließ er den Wagen zu einem rennfertigen Porsche 911 RSR umrüsten und anschließend in seine Heimat Down Under verschiffen. Dort setzte er das Auto in zahlreichen Renn- und Rallyeveranstaltungen ein.
Es rankten sich zwischen 2010 und 2023 viele Mythen um den Verbleib des Porsche 911 Turbo Prototyps.
Nachdem Hamilton jedoch auf Porsche 934 umstieg, verkaufte er den Turbo-Prototyp. Danach wechselte das Fahrzeuge einige Male den Besitzer, bevor er 2007 in die USA verkauft wurde. Dort wurde er bei einem Concours im New Yorker Stadtteil Greenwich 2010 zuletzt öffentlich gesehen. 2013 kaufte ihn sein jetziger Besitzer und brachte ihn zurück nach Europa. Dort war er seitdem Teil einer privaten Sammlung. Die sogenannte ConfidentialCarsCollection soll künftig allerdings öffentlich sein. Deshalb reifte beim Eigentümer auch die Idee, das Auto wieder auf den Stand der IAA 1973 zurückzubauen. 2021 beauftragte er schließlich Andreas Jung mit der Restauration.
Ein so einzigartiges Fahrzeug wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen, ist selbst für erfahrene Restaurateure eine immense Herausforderung. Eine gute Dokumentation der Fahrzeuggeschichte ist dazu unerlässlich. „Glücklicherweise hatten wir die originale Ausstattungskarte des Porsche-Studios“, erklärt Jung. Der Porsche 930 Prototyp erhielt auf der handgeschriebenen Karte schlicht den Namen „IAA-Wagen“.
Spannender war schon die Typbezeichnung. Dort wurde „911 RSR TURBO“ vermerkt. Auch die Farbmunster sind nicht alltäglich. Kristalleffektlack in Silber, blauchschwarzes Kunstleder mit dem Vermerk „G-Serie“ sowie Sitzmittelstreifen und Seitenwangen in Schotten-Karo „Black Watch“ der Fa. Lawson u. Sons aus Edinburgh. Abgerundet wurde das Interieur durch Teppich in „russischgrün“.
Dank dieser genauen Auflistungen konnte das Fahrzeug detailgetreu wieder in den Ursprungszustand versetzt werden. Unterstützung erhielt Jung dabei auch von Mitarbeitern aus dem damaligen Design-Team. So konnten besonders Feinheiten an den Stoßstangen rekonstruiert werden. Ein weiteres Detail, das den Wagen heute wieder ziert ist der Carrera-Schriftzug auf dem Grünkeil der Windschutzscheibe. Übrigens war dieser Schriftzug weder davor, noch danach auf einem Fahrzeug aus Zuffenhausen angebracht worden.
Nach der abgeschlossenen Restauration im Sommer 2023 stellte der Eigentümer das Fahrzeug dem Hans-Peter Porsche Traumwerk zur Verfügung. Einen Steinwurf von Salzburg entfernt ist er dort im Mittelpunkt einer Sonderausstellung zum Thema Porsche 911 Turbo. Es ist schön zu sehen, dass ein so lang fast schon verschollen geglaubtes Auto nun doch wieder öffentlich zu sehen ist.
Auch wenn die späteren Serienautos ganz anders wurden, ist der 930 Turbo Prototyp ein wichtiges Stück Geschichte und damit unbezahlbar.
Andreas Jung, Oldtimer Jung
Ende August soll das Auto beim Concours of Elegance im Londoner Hampton Court präsentiert werden. Danach reist der Porsche 930 Turbo Prototyp über den großen Teich in die USA. Wer also noch in Deutschland einen Blick auf den einmaligen Prototypen werfen möchte, sollte sich beeilen!
Elferspot Magazin