Es gab da in der Schule jemand mit tollem Benehmen, guten Noten, freundlichem und unkompliziertem Wesen, tollem Lächeln, aber immer auch etwas unauffällig und nie Teil der coolsten Cliquen. Bei einem Klassentreffen 15 Jahre nach dem Abschluss trifft man wieder aufeinander. Sie oder er hat sich eigentlich kaum verändert. Doch du bist hin und weg. Du fragst dich, wieso dir all das nicht schon viel früher aufgefallen ist… Klingt nach Hollywood? Was als Vorlage für einen Film oder Love-Song durchgehen könnte, kommt so durchaus in der Autowelt vor. Ist vielleicht der Porsche Boxster 987, der gerade 20 Jahre alt wurde, genau so ein Fall?
Als Porsche die zweite Boxster-Generation namens 987 an den Markt brachte, war der Roadster-Markt heiß umkämpft. Quasi jeder namhafte Hersteller bot einen offenen Zweisitzer an. Die Konkurrenz hieß zum Beispiel BMW Z4, Audi TT Quattro, Nissan 350Z oder Honda S2000. Auch Mazda MX-5 und Mercedes SLK wilderten im gleichen Segment. Neben dem Porsche Boxster gab es mit Lotus Elise und Opel Speedster sowie im Einsteigersegment mit Toyota MR-2 und MG TF sogar reichlich Auswahl mit Mittelmotor. In der Roadster-Klasse gab es 2004 quasi keinen freien Platz mehr.
Und wie in jeder Schulklasse auch, war es ein bunter Mix unterschiedlichster Charaktere. Möchte man an dieser Stelle ein Paar Klischees bedienen, liest es sich wie folgt: Einerseits war da die angehende Leistungssportlerin Lotus Elise mit dem etwas zivilisierteren Geschwisterkind aus dem Hause Opel. Am anderen Ende lag der etwas amerikanisch anmutende 350Z mit dem aus sehr gutem Hause stammenden SLK. Dann wären da noch der Klassenclown MX-5 und die beiden aufstrebenden, angehenden BWL-Studenten BMW Z4 und Audi TT Quattro sowie das Naturwissenschafts-Genie Honda S2000.
Und wie genau passte da der Porsche Boxster ins Bild? Obwohl er in Gestalt des 986 die Unterstufe bereits mit Bestnoten hinter sich gelassen hatte, war da immer der Schatten des schulweit bekannten Ausnahmesportlers 911, der auf ihm lastete. Der etwas kleiner gewachsene Boxster hatte teilweise sogar bessere Noten und auch das bessere Benehmen – eigentlich ein echter Musterschüler. Doch an die sportlichen Höchstleistungen des Geschwisters reichte er nicht ganz heran. Im Wettrennen musste er sich – je nach Strecke – sogar dem BMW Z4 geschlagen geben. Er war also beliebt, aber ihm haftete das Image an, eben nicht ganz so stark, schnell und berühmt zu sein, wie der große Bruder.
Fahrerisch war der Porsche Boxster 987 ab Marktstart am 27. November 2004 über jeden Zweifel erhaben. Das ohnehin brillante Chassis des Vorgängers wurde nochmals behutsam überarbeitet. Leichtmetall-Komponenten, breitere Spur sowie erstmals bei einem Boxster optional Porsches Active Suspension Management (PASM) und Ceramic Composite Brakes (PCCB) machten den 987 so agil und gleichzeitig fahrsicher, dass er mit Lob nur so überhäuft wurde.
Und genau dieses Lob führte dazu, dass – trotz leistungsgesteigerter Motoren mit 240 bzw. 280 PS – immer wieder konstatiert wurde: Der Porsche Boxster 987 könnte noch deutlich mehr Leistung vertragen, weil sein Chassis so gut ist. Dann würde er aber dem großen Bruder 911 gefährlich nah kommen, also sei das keine Option. Dabei waren Fahrleistungen und Fahrspaß für sich genommen eindrucksvoll. Schon der Basis-Boxster erreichte mit Schaltgetriebe in 6,2 Sekunden die 100 km/h und fuhr 250 Spitze. Und das für 32.000 Euro weniger als der Elfer – die Neupreise lagen bei 43.068 zu 75.200 Euro.
Nicht nur die Fahrleistungen waren auf beeindruckend hohem Niveau. Durch die neue Front mit gefälligeren Scheinwerfern und vor allem das an den Porsche 911 der Generation 997 angelehnte Interieur wirkte der 987er Boxster deutlich erwachsener. Selbst 20 Jahre später macht das Design noch eine frische, gute Figur.
Porsche steuerte zum Modelljahr 2009 nochmals nach und erneuerte den 987. Die neuen Motoren mit Direkteinspritzung (DFI) schöpften aus 2,9 und 3,4 Litern Hubraum nun 255 und 310 PS. Getriebeseitig ersetzte das neue Porsche Doppelkupplungsgetriebe (PDK) die betagte 5-Gang-Tiptronic und macht die automatische Schaltbox selbst für Sportfahrer zu einer ernsten Alternative. Ein Porsche 987 Boxster S beschleunigte damit exakt gleich schnell auf 100 km/h wie ein 997.2 Carrera 4.
Es half jedoch alles nichts. Der zweite Boxster konnte den kommerziellen Erfolg des Ur-Boxsters nicht wiederholen. Nach fast 165.000 verkauften Boxstern erster Generation brachte es der 987 über einen gleich langen Produktionszeitraum von knapp neun Jahren nur auf gut 104.000 Exemplare. Zur Ehrenrettung des 987 soll an dieser Stelle jedoch nicht verschwiegen werden, dass etwa 68.000 Cayman 987 in den Porsche Zentren ausgeliefert wurden.
Mit der Modellpflege überarbeitete Porsche den Boxster 2009 und brachte neben Direkteinspritzungs-Motoren (DFI) auch das Porsche Doppelkupplungsgetriebe (PDK). © vehikel. epic sportscars
In den letzten zehn Jahren stiegen die Preise über viele Porsche Baureihen hinweg teilweise drastisch. Die Antwort auf die Frage nach dem idealen Einstiegs-Porsche fiel zunehmend schwerer. Lange Zeit war der Porsche 944 die erste Wahl. Er war verhältnismäßig günstig zu bekommen und zu unterhalten, bot ordentliche Fahrleistungen und sogar reichlich Stauraum. Doch mittlerweile sind 944 gesuchte Klassiker und schwer in tollem Zustand aufzutreiben. Selbst die jüngsten Modelle sind über 30 Jahre alt und immer weniger Werkstätten kennen sich mit diesen Modellen gut aus.
Quasi zeitgleich drehte sich die Stimmung zum Boxster in der Porsche-Welt. Spätestens mit der dritten Generation namens 981 war Porsches Mittelmotor-Roadster komplett emanzipiert. Das frühere Image des Porsches für all jene, die sich keinen 911 leisten konnten, war endgültig abgeschüttelt. Gerade als 987 ist der der Boxster stilistisch zeitlos und bietet Fahrleistungen, die vielen Elfern in Nichts nachstehen. Ganz zu schweigen vom Klangerlebnis des Sechszylinder-Saugmotors. Der Boxster erwies sich zudem selbst nach vielen Jahren als zuverlässiger Begleiter, der trotz Stoffdach viel Alltagsnutzen mit sich bringt – nicht zuletzt dank der beiden Kofferräume.
Gerade als 987 ist der der Boxster stilistisch zeitlos und bietet Fahrleistungen, die vielen Elfern in Nichts nachstehen.
Selbst im Unterhalt gibt sich der Zweisitzer verhältnismäßig genügsam – Servicearbeiten sind preiswert zu erledigen und die Ersatzteilpreise bleiben ebenfalls im Rahmen. Die Versicherungsprämien liegen nicht nur unter Elfer-Niveau, sondern sind sogar günstiger als beim 944. Beziehen wir nun noch die modernen Komfort-Features wie Xenon-Scheinwerfer, Tempomat, Sitzheizung und Klimaautomatik in die Rechnung ein, mutet der Boxster im Vergleich zum 944 an wie ein Schweizer Taschenmesser. Für den Einstieg in die Porsche-Welt ist die zweite Boxster-Generation daher in unseren Augen die annähernd perfekte Wahl.
Obwohl über 100.000 Porsche Boxster der Baureihe 987 verkauft wurden, sind – verglichen mit dem 911 aus der gleichen Ära – nur sehr wenige Fahrzeuge davon am Markt. Wer einen Boxster kauft, genießt ihn offenbar zumeist auch viele Jahre. © Wack Automobiles
In den letzten Jahren legte der Porsche Boxster 987 kontinuierlich im Wert zu. Die durchschnittlichen Angebotspreise stiegen seit 2020 von 28.000 auf 35.000 Euro – ein Plus von 25 Prozent. Knapp unter 20.000 Euro gibt es die ersten Porsche 987 Boxster mit höheren Laufleistungen. Doch man findet auch Fahrzeuge mit fünfstelliger Laufleistung für deutlich unter 30.000 Euro. Preislich liegen Boxster und Boxster S dabei relativ dicht zusammen. Die späteren Modelle mit DFI-Motoren kosten hingegen merklich Aufpreis. Auch wenn 30-35.000 Euro sicherlich keine Peanuts sind, kostet ein guter 987er Boxster damit genauso viel wie ein neuer Basis-Golf mit ein paar Extras.
Ein Auto mit diesen Zutaten, vor allem für teilweise unter 30.000 Euro bekommt man anno 2025 nicht mehr neu. Deshalb ist der 987 gewissermaßen die perfekte Wahl für den Einstieg in die Welt der Zuffenhausener Sportwagen. Kein anderer Porsche für Preise um 30.000 Euro ist derart modern, zuverlässig und überzeugt mit immer noch sportlichen Fahrleistungen. Mit diesem Wissen muss man auch kein Hellseher sein, um dem Porsche 987 Boxster eine gute Wertprognose auszustellen. Zwar sind mittelfristige Preisverdopplungen nicht zu erwarten, doch Wertverlust dürfte – gute Pflege und keine extremen Laufleistungen vorausgesetzt – kein Thema sein.
Es gibt Autos, die waren schon immer großartig, doch manchmal braucht es eben etwas Zeit, bis sie die entsprechende Wertschätzung erhalten…
20 Jahre nach dem Schulabschluss gibt sich der zweite Boxster somit immer noch frisch und voller Tatendrang. Diese Jahre des Reifeprozesses taten dem zweiten Boxster – und vor allem seinem Image – ausgesprochen gut. Womit wir unsere Eingangsthese gewissermaßen belegen. Es gibt Autos, die waren schon immer großartig, doch manchmal braucht es eben etwas Zeit, bis sie die entsprechende Wertschätzung erhalten…
© Titelbild: CarJager
Elferspot Magazin