Wer sich für einen Porsche 911 Carrera 3.2 der Modelljahre 1984 bis 1989 interessiert, hat unweigerlich schon einmal die Begriffe 915- und G50-Getriebe gehört oder gelesen. Doch warum bestimmt die Frage nach dem Getriebe die Diskussionen um das beliebte G-Modell? Was sind überhaupt die Unterschiede zwischen 915- und G50-Getriebe? Welches ist die bessere Wahl?
Das 915-Getriebe ist eine Eigenentwicklung Porsches und kam erstmals 1972 zum Einsatz. Im Wesentlichen ist das Porsche 915-Getriebe eine Überarbeitung des Porsche 901-Getriebes, das im 911 F-Modell zum Einsatz kam. Durch das stetig steigende Drehmoment der Motoren war ein neues Getriebe nötig geworden, das dem standhalten konnte. Es wurde von Modelljahr 1972 bis 1986 verbaut und kam unter anderem im 911 Carrera 3.0 und 3.2 sowie auch 911 Carrera RS 2.7 zum Einsatz. Es war bis Modelljahr 1977 mit vier oder fünf Gängen, ab Modelljahr 1978 ausschließlich mit fünf Schaltstufen verfügbar. Der Rückwärtsgang liegt immer rechts unten. Die Kupplung wird per Seilzug betätigt.
Aus heutiger Sicht hat das 915-Getriebe ein paar konstruktive Eigenheiten. Zum Einen hat es keine Federn, die den Schaltknauf automatisch in die mittlere Schaltgasse zurückführen. Hier kommt es also auf saubere Schaltvorgänge an. Eine weitere Besonderheit des Porsche 915-Getriebes ist dessen Synchronisation. Sie dient dazu, die unterschiedlichen Drehzahlen der einzelnen Gangräder und der Getriebewelle sanft anzugleichen. Dadurch ist Zwischenkuppeln beim Hochschalten oder Zwischengas beim Herunterschalten nicht mehr zwingend erforderlich, um geschmeidige Gangwechsel zu realisieren.
Porsche griff dazu auf eine von Ferdinand Porsche entwickelte und patentierte Lösung zurück. Im Gegensatz zu heute üblichen Synchronisationen kommt das Porsche-System ohne eine sogenannte Sperre aus. Die Gänge können deshalb eingelegt werden, bevor die Drehzahlen von Schaltwelle und Gangrad vollständig angeglichen sind. Sie ermöglichte somit grundsätzlich schnelle Schaltvorgänge mit geringen Schaltkräften, verschleißt allerdings schneller als die heutzutage gängige Sperrsynchronisation.
Nach über zehn Jahren entschied sich Porsche, das 915-Getriebe in Rente zu schicken. Immer weiter ansteigende Motorleistung und wachsendes Drehmoment erforderten einen neuerlichen Schritt bei der Getriebeentwicklung. Als Ersatz wählten die Stuttgarter zum Modelljahr 1987 das bei Getrag hergestellte G50-Getriebe.
Es unterschied sich in der Synchronisierung und generellen Auslegung deutlich vom 915. Statt wie bisher auf das Porsche-System der Drehzahlangleichung zu setzen, griff man im G50 auf eine von Borg-Warner entwickelte Synchronisierung zurück. Diese Synchronisierung ist gemeinhin als beständig und weniger verschleißanfällig bekannt als die Porsche-Synchronisierung im 915.
Zur besseren und präziseren Schaltbarkeit kamen außerdem Federsperren zum Einsatz. Deshalb springt der Schalthebel, wie auch heute üblich, eigenständig in die Gasse von drittem und viertem Gang. Der Rückwärts ist nun links oben. Die Kupplungsbetätigung erfolgte beim G50 hydraulisch. So war weniger Krafteinsatz erforderlich. Im 911 Carrera 3.2 und 964 hatte es fünf Gänge, im späteren 993 war es bis Modelljahr 1997 mit sechs Fahrstufen erhältlich.
Je tiefer wir in die Materie einsteigen, desto spannender wird der direkte Vergleich der beiden Schaltboxen. Denn während das G50 auf den ersten Blick technisch Punktsieger ist, ist die Sache beim Fahrspaß gar nicht so eindeutig. Die Fahrleistungen der Porsche 911 Carrera 3.2 vor und ab Modelljahr 1987 machen stutzig. Die früheren Porsche 911 Carrera 3.2 mit 915-Getriebe spurten genauso in 6,1 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h wie die späteren G50-Modelle. Auch beim Top-Speed lässt sich mit 245 km/h Höchstgeschwindigkeit kein Unterschied ausmachen.
Hinzu kommt, dass sich Porsche 911 Carrera 3.2 mit 915-Getriebe subjektiv sogar etwas lebendiger anfühlen. Das liegt am geringeren Gewicht des Getriebes selbst sowie der Kupplung und Schwungscheibe. Dadurch drehen Motoren mit 915-Getriebe schneller hoch. Generell ist das G50 selbst in vielen Teilen verstärkt und schwerer. In Kombination mit der schwereren Kupplung und Schwungscheibe bringt der G50-Antriebsstrang zwölf Kilogramm mehr auf die Waage. Deshalb tourt ein 3,2 Liter Boxermotor mit G50-Getriebe nicht ganz so spontan auf und ab wie mit dem Vorgänger-Getriebe.
Übersetzung 915 | Geschwindigkeit | Übersetzung G50 | Geschwindigkeit | |
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1. Gang | 3,182 | 63 km/h | 3,500 | 64 km/h |
2. Gang | 1,833 | 109 km/h | 2,059 | 109 km/h |
3. Gang | 1,261 | 159 km/h | 1,409 | 160 km/h |
4. Gang | 0,965 | 207 km/h | 1,074 | 210 km/h |
5. Gang | 0,763 | 262 km/h | 0,861 | 262 km/h |
Achsübersetzung | 3,875 | 3,444 |
Interessant ist auch ein Blick auf die Getriebeübersetzung. Während die Fahrstufen selbst beim G50-Getriebe etwas kürzer übersetzt sind, egalisiert eine längere Achsübersetzung den Effekt. Das Drehzahlniveau in den ersten vier Gängen ist dadurch bei Carrera 3.2 mit G50-Getriebe etwas niedriger als bei Fahrzeugen mit 915-Getriebe.
Die Fahrleistungen sind es also nicht, die den Ausschlag für das G50-Getriebe geben. Für das G50 spricht hingegen zum Einen die Zuverlässigkeit. Denn Gangräder und Synchronisierung sind schlicht kräftiger und langlebiger ausgelegt. Ein gut behandeltes G50-Getriebe überlebt in vielen Fällen den Motor.
Es reagiert außerdem weniger sensibel auf Verschleiß im Schaltgestänge als sein Vorgänger vom Typ Porsche 915. Sind dort die Kunststoffbuchsen verschlissen, stellt sich sehr schnell ein ungenaues Schaltgefühl ein. Die Folge: erhöhtes Spiel im Schalthebel, mechanisch unsaubere Gangwechsel und erhöhter Verschleiß im Inneren. Im schlimmsten Fall lassen sich Gänge dann sogar gar nicht mehr ohne Knirschen einlegen oder es werden sogar zwei Gänge zeitgleich eingelegt. Dann muss das Getriebe in jedem Fall geöffnet werden.
Daher ist ein nicht sauber schaltendes 915-Getriebe beim Kauf eines Elfers immer auch ein gewisses Glücksspiel. Entweder ist es nur das Gestänge, oder eben im schlechtesten Fall die Synchronisierung. Muss das Getriebe zerlegt werden, kommen meist mehr verschlissene Teile zum Vorschein, als ursprünglich gedacht. Deshalb lässt sich der Preis für eine Getrieberevision erst danach bestimmen.
Durch die stärkere Auslegung wurden G50-Getriebe tendenziell seltener revidiert. Nun kommt allerdings ein kleines Aber: Wenn am G50-Getriebe doch mal etwas kaputt ist, liegen die Kosten zumeist höher als beim 915. Zwar sind die Unterschiede prozentual nicht mehr so groß, wie noch vor fünf bis zehn Jahren, doch Unterschiede bestehen nach wie vor.
Preislich liegen späte Porsche 911 Carrera 3.2 generell nach wie vor etwas über den früheren Modellen. Das hat nicht nur mit dem Wechsel von 915 auf G50 zum Modelljahr 1987 zu tun, doch es hat natürlich seinen Anteil. Ungefähr 5.000 Euro mehr kosten G50-Carreras als ihre 915-Geschwister. Ob es nun Kausalität oder Korrelation ist, dass die Preisdifferenz nicht weit weg vom Preis einer Getrieberevision liegt?
Natürlich fühlt sich ein Porsche 911 Carrera 3.2 mit G50-Getriebe moderner an. Die hydraulische Kupplung braucht weniger Kraft und die Schaltvorgänge gehen für Neulinge im Bereich klassischer Porsche leichter von der Hand. Ein professionell eingestelltes und gut gewartetes 915-Getriebe vermittelt jedoch einen Charme, den das G50 nicht vermitteln kann. Es nimmt seinen Fahrer mit auf eine Reise zurück in die 70er Jahre!
Das Fahrgefühl des eigens von Porsche entwickelten 915-Getriebes ist ein ganz besonderes. Es braucht ein wenig Gewöhnungszeit. Außerdem erfordert es mehr fahrerisches Geschick. Doch genau deshalb hat es etwas Erhabenes, die Eigenheiten des 915 zu meistern und belohnt mit großer Fahrfreude. Je größer die Herausforderung, desto größer der Sieg – wussten schon die alten Römer. Und genau das trifft hier auch zu.
Der Vergleich zwischen 915 und G50 wäre vermutlich längst kein so großes Thema, wenn nicht beide im selben Modell zum Einsatz gekommen wären. Denn sein wir mal ehrlich: Stört sich im Porsche 911 Carrera 3.0 oder gar RS 2.7 irgendjemand am 915-Getriebe?
Der Faktor Alltagstauglichkeit spielt bei den meisten klassischen Porsche Sportwagen heute keine Hauptrolle mehr. Doch gerade für Gelegenheitsfahrer bietet das G50-Getriebe einen leichteren Zugang. Das Schaltgefühl kommt dem eines modernen Getriebes deutlich näher als das 915. Unsere Empfehlung lautet deshalb: Wer sich gern aktiv mit dem Thema Fahrtechnik auseinandersetzt und den Retrocharme der 70er erleben will, kann ohne Reue auf einen Carrera mit 915 setzen. Wer lieber das beste aus beiden Welten möchte, ist mit einem späten G50-Carrera bestens bedient.
Elferspot Magazin