Porsche Modelle mit dem Beinamen Speedster haben Tradition. Schon den Porsche 356 gab es als – wie Porsche selbst sagt – auf’s Wesentliche reduzierte Cabrio. Es folgten Porsche 911 Carrera 3.2 und 964 Speedster, später auch wassergekühlte 997 und 991 Speedster. Doch Porsche 993 Speedster fanden nie den Weg in die Serie. Nur zwei Speedster auf Basis des letzten luftgekühlten Porsche 911 wurden werksseitig gebaut. Einer davon als Geschenk für Ferdinand Alexander Porsches 60. Geburtstag und einer auf persönlichen Wunsch des Comedians und Porsche-Sammlers Jerry Seinfeld. 2024 tauchte nun ein Auto auf, so nah am Original, das er als perfekte Illusion eines dritten Porsche 993 Speedster durchgehen könnte.
Einleitend eine kurze Reise in die Vergangenheit: Mitte der 1990er Jahre befand sich Porsche in einem radikalen Transformationsprozess. Denn die Stuttgarter waren finanziell angeschlagen und der Porsche 993 sowie die auslaufenden 928 und 968 in der Produktion zu teuer. Angeführt von Wendelin Wiedeking sollte die Produktion und auch die Produktpalette Porsches vollständig umgekrempelt werden.
Die Verkaufszahlen des 964 Speedster blieben hinter den Erwartungen. Das Wagnis 993 Speedster hätte Porsche teuer zu stehen kommen können.
Während beim Porsche 964 noch ein Speedster in Kleinserie gebaut wurde, war für einen Porsche 993 Speedster als Serienfahrzeug schlicht kein Geld da. Schließlich war schon der 964 Speedster kommerziell ein Flop mit nur 930 gebauten Autos statt der ursprünglich geplanten knapp 2.000 Stück.
Doch anlässlich Ferdinand Alexander Porsches 60. Geburtstag baute Porsche 1995 ein 993 Carrera Cabrio um. Der Butzi genannte, älteste Sohn von Prof. Ferdinand Porsche erarbeitete mit seinem Team schließlich den Entwurf des ersten Porsche 911 und übernahm 1990 den Aufsichtsratsvorsitz von Vater Ferdinand. Daher dankte es ihm Porsche mit dem 993 Speedster aus der Exclusive Abteilung. Das Tiptronic-Cabrio wurde mit der flachen Windschutzscheibe und dem Streamliner-Heckdeckel vom Vorgänger Porsche 964 ausgestattet. Heute steht er im Porsche Museum.
Auf Bitten des Porsche-Sammlers Jerry Seinfeld baute Porsche dessen handgeschalteten 1998er Carrera 4S zum zweiten Speedster um. Bei einer Ausgabe der Monterey Car Week in den 2010er Jahren zeigte Seinfeld eben diesen silbernen, turbobreiten Porsche 993 Speedster. Das 2001 von Porsche Exclusive fertiggestellte Fahrzeug ist der zweite und letzte seiner Art. Porsche baute offiziell keinen weiteren 993 in seiner flachsten Konfiguration. Dabei ist die Formgebung des 993 schon deshalb ideal für einen Speedster, weil Scheinwerfer und Windschutzscheibe im nahezu gleichen Winkel ansteigen.
Ein junger Designer war damals derart begeistert von Seinfelds Speedster, dass er zwei Stunden lang um das Auto herumlief. Völlig in sich gekehrt betrachtete er die Linien aus sämtlichen Blickwinkeln ganz genau. Jedes noch so kleine Detail sog er auf. Seine Freunde wollten ihn mehrfach zum Weitergehen bewegen, doch er ließ sich nicht abbringen. Zu schön war die Form.
Der Ehrgeiz im Kreativkopf war geweckt. Sofort stellte er sich unzählige Fragen. Sollte es möglich sein, die perfekte Illusion zu schaffen, einen „dritten“ Porsche 993 Speedster zu bauen? Ein Auto, das so aussieht, als hätte Porsche es selbst gebaut und in einer Lagerhalle vergessen? Könnte sich mit dieser Idee die von Porsche gelassene Lücke schließen lassen?
Einige Jahre lang blieb Nummer 3 daher ein Konzept. Gut Ding will Weile haben, sagt der Volksmund. Doch die Idee reifte. Als Basis kam grundsätzlich nur ein Porsche 993 Cabriolet in Frage. Da er allerdings die breitere Silhouette des Turbos tragen sollte, erforderte das umfangreiche Änderungen. Denn das 993 Cabriolet gab es in der Serie weder als Carrera S, noch als 4S. Damit war klar, dass der Karosserieumbau die größte Herausforderung werden dürfte.
Er sollte in schwarz uni lackiert werden. So lenkt die Farbgebung nicht von der Linienführung ab. Ein paar künstlerische Freiheiten sollte er sich nehmen, die Räder des Carrera S zum Beispiel. Viele kleine Details wie die orangenen Seitenblinker des Carrera S würden ihn anders aussehen lassen, als Butzi Porsches oder Jerry Seinfelds Fahrzeug. Doch wenn schon Speedster, dann mit der breiten Optik des Carrera S. Und die Merkmale dieser gedanklichen Basis sollte Nummer 3 auch stolz zeigen.
Es ging nicht um eine Kopie, sondern einen weiteren Evolutionsschritt, wie Porsche ihn selbst hätte vornehmen können. Das Interieur sollte jedoch, anders als beim Carrera S, in seiner Gestaltung dem Original entsprechen. Farblich war auch innen schwarz in schwarz gesetzt, inklusive schwarzer Tachoscheiben, ohne Kontrastnähte.
Sicherlich gibt es eine Vielzahl an Repliken des Porsche 993 Speedster. Doch Nummer 3 sollte nicht nur die nächste Hommage werden. Er sollte zwar nicht exakt aussehen wie eines der beiden Originale, aber eben die Illusion erwecken, als wäre auch er eines. Die schwierigste Frage war dabei, wie man so ein Auto eigentlich baut. Woher bekommt man die Teile? Was verwandte Porsche? Wer kann überhaupt ein Auto so originalgetreu wie möglich nachbauen, das es so offiziell gar nicht gab?
Viele offene Fragen ließen sich durch umfangreiches Literaturstudium klären. 2021 war die Idee so ausgereift, dass Nummer 3 Realität werden sollte. Ein Treffen mit dem großen Porsche-Fan Jean-Pierre Krämer brachte den Stein dann ins Rollen. Er empfahl dem Autodesigner jemanden, der seinen Traum Wirklichkeit werden lasse könnte. Dieser Jemand war Thomas Nater. Er baute bereits Krämers Porsche 964 RSR auf.
Nach einem Besuch in Naters Göttinger Firma AP Cardesign stand fest, dass hier der „dritte“ Speedster entstehen sollte. Ein passendes 1997er Porsche 993 Carrera Cabrio stand als Basisfahrzeug bereit. Auch die nötigen Originalteile für den Karosserieumbau waren vorrätig. Genau so, wie es sich der Kopf hinter dem Auto erdacht hatte.
Es folgten schier unzählige Detailabsprachen. Zum Beispiel geriet die Frage nach dem passenden Interieur zu einem langen Prozess. Denn das heute üblicherweise in Innenräumen genutzte Nappaleder ist im Gegensatz zum originalen Porsche-Leder aus der Zeit matt. Also bestand der Designer auf das Original. Die Suche danach war nicht leicht, doch alles sollte perfekt sein. Auch alle Nähte mussten in Garn und Form hundertprozentig passen.
Kleine Details waren beim 964 und auch Butzis 993 Speedster anders. Die Konsole unter dem Handbremsgriff ist dort aus Kunststoff, genauso wie einige Kleinteile an den Türen. Doch es gibt Leder, das aussieht wie Kunststoff. Und natürlich musste es genau dieses Leder für den Bezug der Teile sein. Um dem groß gewachsenen Fahrer die passende Sitzposition zu ermöglichen, mussten spezielle, abgesenkte Sitzschienen gefertigt werden. Diese etlichen Feinheiten gipfelten in einer fast 20-seitigen Spezifikation des 993 Speedsters. Es folgte eine mehr als zwei Jahre dauernde Wartezeit…
Unser Protagonist konnte kaum anders, als sich zum Autofreak zu entwickeln. Seine Leidenschaft für Autos und Design begann schon in der Kindheit. Vermutlich vererbte der Großvater – seines Zeichens Künstler – das Talent. Der Vater lebte die Passion für Autos vor, fuhr selbst in den 1970er Jahren Bergrennen in einem Porsche 911 Carrera RS 2.7.
So verwundert es nicht, dass er dem Schulalltag wenig abgewinnen konnte. Nie habe er in der Schule mehr gemacht, als er musste. Stattdessen zeichnete er in jeder freien Minute Autos und Boote. Doch das Talent sorgte auch für Probleme. Seine Kunstlehrerin glaubte ihm anfangs nicht, dass seine Arbeiten von ihm waren. Sie hielt den jungen Kreativen für einen Lügner.
Doch er ging seinen Weg, studierte Automobildesign und arbeitete in Spitzenpositionen verschiedener Hersteller. Schon früh begeisterte er sich für Porsche 911 Speedster. „Ich fahre alle meine Autos gern und das auch schnell. Speedster finde ich viel cooler als Cabrios“, erklärt er.
Bei der Suche nach seinem ersten, einem Porsche 964 Speedster, tourte er durch ganz Europa. Sein Glück fand er im westfälischen Bielefeld. Dieser Speedster diente später als Blaupause für den dritten Speedster. Er ist außen und innen schwarz, wurde als einer von nur 18 Stück auf Speedline-Felgen des 964 Turbo 3.6 ausgeliefert. Mit diesem Auto fuhr der Porsche-Fan unzählige Touren in den Alpen.
Genauso geht es ihm mit seinem – natürlich schwarzen – Porsche 991 Speedster. Die Suche nach diesem Auto erforderte abermals Zeit. Schließlich wollte er ihn genauso wie den 964 ausgestattet wissen. Auch darin fuhr er bereits zahlreiche Kilometer über die schönsten Bergstraßen Europas. Der dritte 993 Speedster ist damit also auch für den passionierten Segler die ganz persönliche Nummer drei.
Bei der ersten Begegnung mit der fertigen Karosse wurde der Hauptdarsteller unserer Geschichte emotional. „Als ich die fertig lackierte Rohkarosse gesehen habe, habe ich geweint“, erinnert sich der junggebliebene Mittfünfziger. Eine große Auszeichnung, ist er schließlich schon von Berufs wegen außergewöhnlich penibel. Die spätere Abholung offenbarte, dass sich der Traum von der Illusion eines über Jahre vergessenen, dritten Porsche 993 Speedsters erfüllte. „Wenn du davor stehst, dann denkst du, es ist wirklich der dritte!“
Es kamen nur neue oder aufgearbeitete Originalteile zum Einsatz. Die einzige Ausnahme bildet das Fahrwerk. Durch das moderne KW V3 liegt der Wagen ein paar Millimeter tiefer als das Original. Das steht dem Speedster gut und sorgt für ein deutlich verbessertes Fahrverhalten. Das belegte das Auto schon kurz nach der Abholung bei einem Trip durch die Alpen. Allein im ersten Jahr fuhr der Speedster die Großglockner Hochalpenstraße mehr als zehnmal auf und ab.
Ich habe den Porsche 993 Speedster in den Alpen nicht geschont, ihn richtig rangenommen. Und er hat wahnsinnig performt. Das Auto fährt gigantisch!
Der Eigentümer des Porsche 993 Speedster bleibt lieber vornehm im Hintergrund. Er möchte das Auto für sich sprechen lassen. Doch wer regelmäßig am Großglockner ist, hat ihn vielleicht schon gesehen oder wird es dort in Zukunft. Einen großen Traum möchte sich der Designer aber noch erfüllen: „Ich möchte mit dem Auto einen großen Roadtrip durch Kalifornien bis nach Monterey zur Werks Reunion machen. Er soll dorthin, wo ich damals Jerry Seinfelds Auto zum ersten Mal gesehen habe!“
© sofern nicht anders gekennzeichnet: David Fierlinger für Elferspot
Die Geschichte zu Butzi Porsches Speedster findet ihr im Porsche Newsroom!
Elferspot Magazin