Zum Modelljahr 2002 startete der Verkauf des Porsche 996 Carrera 3.6, also des Facelift-Modells von Porsches erstem wassergekühlten Elfer. Im Volksmund wird er gern auch als 996.2 bezeichnet. Der modellgepflegte 911 Carrera hatte neu entwickelte Scheinwerfer, Detailverbesserungen im Innenraum sowie mit Carrera 4S und Targa auch zwei legendäre Modelle neu aufgegriffen. Wir sagen euch in der Porsche 996 Carrera 3.6 Kaufberatung ganz genau, worauf ihr beim Kauf achten solltet und wo potenzielle Schwachstellen liegen.
Wie der Name schon vermuten lässt, spendierte Porsche seinem 911 Carrera zum Modelljahr 2002 mehr Hubraum. Durch 4,8 mm mehr Hub hatte das M96/03 genannte Triebwerk von 3.387 auf 3.596 ccm. Das Ergebnis waren 20 PS Mehrleistung und 20 Nm mehr Drehmoment, das auch um 350 U/min früher anlag als beim Vorgänger.
Augenfälligste Änderung des nachgeschärften Porsche 996 Carrera waren natürlich die Scheinwerfer. Denn seit Modelljahr 2002 trugen auch die Porsche 996.2 Carrera die gleichen Scheinwerfer wie der 996 Turbo. Die wirtschaftlichen Verhältnisse ließen die Abkehr der extremen Gleichteilpolitik mit dem Boxster zu, sodass der 911 wieder mehr Eigenständigkeit erhielt.
Im Innenraum waren die Änderungen weniger augenfällig. Porsche installierte nun in allen Modellen die gleiche Tachoeinheit mit erweitertem Bordcomputer wie im 996 Turbo. Außerdem ergänzte Porsche beim 996 Carrera 3.6 nun endlich ein Handschuhfach. Die genaue Entwicklungsgeschichte des Porsche 996 kann hier nachgelesen werden.
Das Wichtigste vorab: Korrosion ist bei wassergekühlten Porsche 911 auch nach 20 Jahren kein wirkliches Thema. Die Scheibeneinfassungen der Windschutzscheibe können allerdings durch alterndes Gummi im Laufe der Zeit aufreißen. Dann ist das metallene Innenleben der Witterung ausgesetzt und kann rosten. Strukturell gibt es allerdings keinen Grund zur Kritik. Das Blechkleid ist hervorragend konserviert.
Es kommt jedoch vor, dass die Spaltmaße am Vorderwagen nicht hundertprozentig passen. Das kann mehrere Gründe haben. Klar, der naheliegendste Gedanke ist ein Unfallschaden. Auch die Demontage der Frontschürze zum Austausch der Radiatoren und Klimakondensatoren kann – bei unsachgemäßer Montage – ungleiche Karosseriespalte zurücklassen. Gerade an den Scheinwerfern mit ihren vielen Schwüngen fällt das schnell auf.
Stellt sich also primär die Frage, welche Karosserieform man lieber hätte. Carrera, Carrera 4 und Targa tragen die schmale Karosserie. Nur der Porsche 996 Carrera 4S erhielt das breite Heck, das bislang dem Turbo vorbehalten war. Mit dem durchgehenden Lichtband zwischen den Rückscheinwerfern greift er ein überaus beliebtes Stilmittel des Porsche 993 Carrera 4S auf.
Das Stoffverdeck beim Porsche 996 Carrera 3.6/4S Cabriolet selbst ist robust. Der Verdeckmechanismus kann aber Probleme bereiten. Öffnet/schließt das Verdeck langsam bzw. nicht mehr komplett, liegt das oft an fehlendem Hydrauliköl. Nach Auffüllen des Öltanks sollte umgehend das Leck gefunden werden. Auch die Mechanik selbst kann Ursache für ausbleibenden Frischluftgenuss sein. Die Plastikteile darin können brechen, sind aber größtenteils sogar als Einzelteile für eine kostengünstige Reparatur verfügbar.
Beim 996 Targa gibt es ebenfalls regelmäßig auftretende Schwierigkeiten. Wird die Funktion des Glasdachs immer langsamer, hilft es, zu reinigen und zu schmieren. Starke Windgeräusche können an einer defekten Dichtung zum Windabweiser liegen. Ein Problem, mit dem manche Eigentümer des Targas leben müssen, ist hingegen das häufig knarzende Targadach. Eine einfache Lösung gibt es dafür nicht.
Bereits vor dem Facelift (ab Modelljahr 2000) verwandte Porsche Softlack als Oberflächenfinish für die Kunststoffteile im Innenraum. Wie wir heute wissen, wird dieser über die Jahre klebrig und unansehnlich. Besonders Schaltknauf, Haubenentriegelungen, Becker CDR-Radio und Mitteltunnel (sofern nicht in anderweitig lackiert) sehen gern speckig aus. Doch genau wie auch beim 997 tummeln sich eine Reihe verhältnismäßig günstiger Austausch- und Reparaturoptionen am Markt.
Das Dreispeichenlenkrad ist zeitlos elegant und von hoher Materialgüte. Es verträgt bei guter Pflege auch 200.000 Kilometer und mehr, bevor eine Neubelederung ansteht. Ansonsten teilt sich der Porsche 996 Carrera 3.6 die gleichen Probleme mit dem Vorgänger. So zum Beispiel defekte Scharniere am hinteren Ablagefach und nicht mehr uneingeschränkt zu bekommende Lautsprecherabdeckungen. Die Lederqualität ist grundsätzlich gut. Übermäßiger Verschleiß ist hier meist Indiz für schlechte Pflege oder viel Standzeit in direktem Sonnenlicht. Wer gern sportlich unterwegs ist, sollte nach einem Fahrzeug mit Sportsitzen Ausschau halten. Die Standardsitze bieten wenig Seitenhalt und die Sportsitze sind empfindlich teuer auf dem Gebrauchtmarkt.
Größere Patzer bei der Qualität von Elektrik und Komfortfunktionen hat sich Porsche beim Facelift-996 nicht geleistet. Pixelfehler im Kombiinstrument und Klimabedienteil muss man nach zwei Jahrzehnten hier und da verzeihen. Kühlt die Klimaanlage nicht, liegt das oft an Steinschlag in den Kondensatoren. Ein Blick in die Lufteinlässe der Frontschürze bringt oft schnelle Aufklärung.
Ab und an können Scheinwerfer mitsamt zugehöriger Waschdüsen ausfallen. Doch Fehlfunktionen müssen nicht unbedingt an defekten Scheinwerfern liegen. Gern ist eine Kontaktschwäche zwischen Scheinwerfer und der elegant entwickelten Aufnahme im Kotflügel die Ursache. Durch den kinderleichten Ausbau kann hier selbst der Laie mit etwas Kontaktspray zur Selbsthilfe schreiten.
Radio und Navigationsgerät (PCM) lassen sich grundsätzlich leicht mittels Bluetooth-Adapter am CD-Wechsler-Anschluss für Musikstreaming updaten. Wer moderne Konnektivität und Freisprechanlage möchte, der sollte auch einen Blick auf das Porsche Classic Communication Management Plus werfen. Es bietet sämtliche modernen Annehmlichkeiten – inklusive Carplay – und das plug & play.
Zwar schaltet sich nach zwei Wochen die Funk-Zentralverriegelung beim Porsche 996.2 generell aus, doch nach dem Winter ist trotzdem gern die Batterie leer. Hier sollte regelmäßig kontrolliert und bestenfalls im Winterschlaf ein Erhaltungsladegerät angeschlossen werden. Die Ursache für nicht ausfahrende Heckspoiler ist hat hingegen meist die Ursache an der Mechanik statt der Elektrik. Beim Cabrio kann ein defekter Handbremsschalter bewirken, dass das Verdeck sich nicht mehr öffnen/schließen lässt.
Obwohl Porsche beim 996 Carrera 3.6/4S ein überarbeitetes Aggregat verbaute, blieben einige konstruktive Schwächen. Und eine Porsche 996.2 Carrera Kaufberatung wäre nicht komplett ohne die Begriffe Kurbelwellensimmerring, Zwischenwellenlager und Kolbenkipper. (Wichtig vorab: Nur ein sehr kleiner Anteil der Motoren ist auch tatsächlich von diesen Problemen betroffen.) Defekte Kurbelwellensimmerringe waren auch beim 996 Carrera 3.4 ein Thema. Ein Indiz dafür sind Ölleckagen zwischen Motor und Getriebe. Nicht das Ende der Welt, aber ein Austausch kostet heutzutage schnell 2.000 Euro.
Doch ein Ölleck an dieser Stelle kann auch auf ein noch schwerwiegenderes Problem hindeuten. Denn genau unterhalb des Kurbelwellendichtrings befindet sich die mittlerweile berüchtigte Zwischenwellenlagerung (Intermediate-Shaft-Bearing, oder auch IMS). Ist sie defekt, kann auch hier Öl austreten. Dieses Symptom ist jedoch harmlos im Vergleich zu möglichen Motorschäden als Folge. Denn die Zwischenwelle treibt die Steuerketten der Nockenwellen an. Ein Defekt bedeutet daher oft kapitale, irreparable Schäden. Im besten Falle erneuert man sowohl Kurbelwellensimmerring, als auch Zwischenwellenlager, sobald eine Undichtigkeit auftritt.
Drittes Kernproblem des M96/03 sind Kolbenkipper. Das bedeutet, der Kolben hat in Folge dauerhafter Verformung des Zylinders erhöhtes Spiel. Er kippt hin und her, Temperaturen erhöhen sich, der Schmierfilm kann abreißen. Auch dieses Phänomen war nicht neu und schon beim 3,4 Liter Motor ein Thema. In Kombination mit vermutlich zu geringen Zylinderwandstärken führt es im schlimmsten Fall auch hier zum kapitalen Motorschaden. Die größeren Motoren der M96-Familie sind noch häufiger betroffen. Durch den größeren Hub erreicht er größere Kolbengeschwindigkeiten und erzeugt somit auch mehr Hitze.
Befeuert wird diese Problematik durch die integrierte Trockensumpfschmierung. Im Gegensatz zur klassischen Trockensumpfschmierung hat sie keinen externen Öltank. Bei hohen Fliehkräften kann deshalb der Öldruck abfallen und große Schäden hervorrufen. Auch für diese Probleme gibt es Abhilfe in einer ganzen Reihe an Fachbetrieben. Es sind beileibe nicht alle Motoren betroffen. Doch Symptome wie Bläuen beim Anlassen, ungewöhnliche Geräusche und Leckagen sollte man beim 996.2 Carrera sehr ernst nehmen. Wer zu lange wartet, riskiert es, dass der Motor nicht mehr gerettet werden kann.
Zündspulen und Motorlager sind zudem Verschleißteile, auf deren Austausch man sich bei 100.000 Kilometern allemal einstellen sollte. Auch die Abgasanlagen am Porsche 996 Carrera 3.6 rosten an den Flaschen über die Jahre gern. Austausch mit Originalteilen ist gerade beim Klappenauspuff so teuer, dass in den meisten Fällen auf eine Anlage aus dem Zubehör zurückgegriffen wird.
Die Sechsgang-Schaltgetriebe vom Typ G96/01 bzw. G96/31 bei den Allradmodellen des Porsche 996.2 Carrera gleichen denen des Vorgängers in weiten Teilen. Auch Gangabstufung und Achsübersetzng blieben unverändert. Bis auf verschleißende Synchronringe der ersten beiden Gänge bei zu viel Beanspruchung gelten beide als unproblematisch.
Die Fünfgang-Tiptronic S wurde hingegen umfangreich überarbeitet. Die Getriebeabstufung der A96-Getriebe ist deutlich enger geraten als beim 996 Carrera 3.4 und nahezu identisch mit der Tiptronic S im 996 Turbo. Nur die Achsübersetzung ist kürzer als beim über 300 km/h schnellen Spitzenelfer. Auch die Tiptronic gehört zu den unkomplizierten Vertretern und glänzt mit großer Langzeitqualität.
Erfreulich unauffällig ist der Porsche 996.2 Carrera bei Federung und Bremsen. Kinderkrankheiten gab es praktisch keine. Die Bremsanlage sorgt noch heute für formidable Verzögerung. Da es den Porsche 996.2 Carrera 3.6 nicht mit den Porsche Ceramic Composite Brakes (PCCB) gab, lauert im Zweifel auch keine riesige Kostenfalle, wenn das Verschleißmaß an Scheibe und/oder Belag erreicht ist. Anders sieht die Sache beim Carrera 4S aus. Diesen gab es ab Modelljahr 2003 auf Wunsch mit PCCB. Die Bremssättel sind, sofern das Auto nicht über Jahre in Küstennähe geparkt hat, sehr robust.
Die Fahrwerke selbst sind ebenfalls echte Dauerläufer. Selten werden Dämpfer undicht. Auch Lager und Lenker halten eine Menge aus. Hier ist üblicher Verschleiß eher ein Thema, als konstruktive Schwächen. Bei einem 20 Jahre alten Porsche sollte man gerade für diese Teile immer ein niedriges, vierstelliges Budget in der Hinterhand halten. Oft bietet sich der Weg zum guten Zubehörfahrwerk eines namhaften Herstellers an. Von modernen Dämpfern profitiert das Handling des 996 Carrera 3.6/4S massiv.
Auch wenn der Porsche 996 mittlerweile zum anerkannten und akzeptierten Klassiker reift, ist er noch immer die günstigste Möglichkeit, einen Elfer zu fahren. Und das, obwohl das Preisniveau in den vergangenen Jahren erheblich angezogen hat. Zwar haben die frühen 3,4 Liter Modelle (996.1) stark aufgeholt, doch der 996.2 Carrera 3.6 oder Carrera 4S kostet noch immer etwas Aufpreis.
Allerdings ist der Preis stark von der Ausstattung abhängig. Carrera 4 Cabriolets mit Tiptronic kosten einige Tausender weniger als ein heckgetriebenes Porsche 996 Carrera 3.6 Coupé mit Schaltgetriebe und bestenfalls Werksleistungssteigerung. Je nach Farbe und Innenausstattung reden wir hier von 10.000 Euro Unterschied. Ein gut ausgestatteter Porsche 996 Carrera 3.6 mit Heckantrieb wäre für sportliche Fahrer wegen der hohen Agilität und des geringen Gewichts (unter 1,4 Tonnen) und noch dazu bester Wertentwicklung der letzten Jahre die beste Wahl.
Wer das breite Turbokleid möchte, kommt am betörend schönen 996 Carrera 4S natürlich nicht vorbei. Für den sportlichen Fahrer ist er aber – genauso wie der Carrera 4 – nicht die erste Wahl. Die 60 Kilogramm mehr im Carrera 4 und sogar 125 Kilogramm mehr im 4S machen zwar nur marginale Unterschiede bei der Beschleunigung aus, doch gerade in schnellen Wechselkurven fällt die zusätzliche Last auf. Deshalb ist der 4S – wie auch der Targa – eher ein sehr sportlicher Grand Tourer statt eine Trackday-Waffe.
Das ausgesprochen seltene Porsche 996 Carrera „40 Jahre 911“ Jubiläumsmodell steht etwas für sich. Die Preise haben sich in den zurückliegenden fünf Jahren etwa verdoppelt. Wer günstig an einen Jubi-996 kommen kann, sollte zuschlagen. Auch wenn die schmale Karosse mit 4S-Frontschürze und Seitenschwellern im GT3-Stil nicht jedermanns Sache ist, sticht er heraus. Werterhalt ist auf jeden Fall garantiert.
Der Porsche 996.2 Carrera ist momentan vermutlich der Elfer, der sich am besten ohne Rücksicht auf Kilometerlaufleistung und Abschreibung genießen lässt.
Richard Lindhorst, Elferspot
Grundsätzlich ist der 996 Carrera 3.6/4S in jeglicher Variante eine Sünde wert. Die Fahrwerke überzeugen mit sehr modernem Handling und Abrollkomfort. Gleichzeitig ist das Geräuschniveau im Innenraum angemessen, das Platzangebot gut und auch der Kofferraum ausreichend dimensioniert. Kurzum: Der Porsche 996.2 fährt sich immer noch wie ein halbwegs aktuelles Auto. Dabei bleibt er aber angenehm klein proportioniert und ist durch den hervorragenden Korrosionsschutz auch ganzjährig nutzbar. Zur Zeit ist er vermutlich der Elfer, der sich am besten ohne Rücksicht auf Kilometerlaufleistung und Abschreibung genießen lässt. Zuletzt ein Satz, den man immer häufiger hört und dem wir uneingeschränkt zustimmen: „Die sind echt gut gealtert!“
© Titelbild: Porsche
Elferspot Magazin